Im Leben geht es darum, die Zeit zu vertreiben. Vertriebe man sie nicht, sässe sie einem fortwährend im Nacken, spottete jeder Unternehmung, jeder Freude, jedem zündenden Funken, indem sie – kalt und gleichgültig wie sie ist – im Takt den verbliebenen Rest abzählte, eine Litanei im Uhrzeigersinn, die langweilig immerfort auf das Unausweichliche hinweist, streng, grimmig, bar jeden Humors.
Weil der Mensch das nicht will, vertreibt er sich selbst die Zeit, hält sie sich vom Leibe. Oft geht das – soweit der Hunger gestillt, der Durst gelöscht ist – mit Geselligkeit, einer pausenlosen Party, viel Lärm oder einer ordinären Stresskarriere einher, doch auch ein Schriftsteller oder Philosoph, einer, der landläufig nicht besonders viele Termine hat, sich mit dem nackten Sein und der Endlichkeit beschäftigt, hält sich die Zeit fern, indem er sie zum Gegenstand seiner Studien, seiner Überlegungen macht.
Die Wahl des Zeitvertreibs, die optimale Zusammenstellung verschiedener Zeitvertreibe, ja die Möglichkeit, überhaupt einer solchen Unternehmung nachzugehen, spielen eine entscheidende Rolle. Neulich gab es in der Zeitung einen Bericht aus Tennessee, wo täglich Menschen durch Schusswaffen sterben, meistens Jugendliche und junge Erwachsene, die selbst bei sich Hand anlegen. Geldsorgen, Einsamkeit, die Angst vor einer tristen Existenz – geschenkt. Doch was Menschen fehlt, die sich selbst um ihre Zeit bringen, ist doch schlicht und einfach: ein ordentlicher Zeitvertreib.
Manche Zeitvertreibe sind gleich einem Strohfeuer, richten mehr Schaden an, als sie Nutzen bringen, reissen ein Loch ins Portemonnaie und sorgen für einen brummenden Kater, der einem auf den Kopf hockt. Anderen Dingen, die man tun kann, haftet ein Nimbus an, sie sind von Zauber begleitet, stellen sogar eine Herausforderung dar. Es sind jene Dinge, bei denen man vergisst, dass man im Grunde nichts anderes tut, als: sich die Zeit zu vertreiben.
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