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AutorenbildCaspar Reimer

Wintermärchen

Das Leben schien stehen geblieben. Im Zimmer tickte der Sekundenkreis. Gewiss gab es Ablenkungen. Einen Weihnachtsbaum besorgen oder, soweit das Geld reichte, unter Wahrung der Würde Geschenke einkaufen. Aber er war wankelmütig geworden. Der Stolz, welcher dem Eigensinn innewohnt, wich einer Larmoyanz. War er dabei, das Leben zu verpassen? Ob es ihm noch gelänge, sich einzufügen? Oder war es schon zu spät?


Wo eigentlich seine Passion liege, wollte der Mann beim Vorstellungsgespräch wissen und fügte nach einer Pause hinzu: Er arbeite doch freiberuflich. Man schien ihm nicht zu trauen. Was macht so einer den ganzen Tag? Stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass er sich ab und an hinlegte, weil es nichts zu tun gab? Zum Glück kamen die Abende früh.


Zu seiner Überraschung wurde er alsdann doch eingeladen, einen Tag im Betrieb zu verbringen. Man wollte sehen, wie er sich anstelle und als er im Bus zur Arbeit fuhr, war ihm plötzlich frohen Herzens und wich jeder Eigensinn der Freude, wieder unter Menschen zu sein. Zu lange hatte er der Ruhe gelauscht.


Das Malheur widerfuhr ihm erst beim Mittagessen in der Kantine, wo er ein Sandwich ass, das leckte und tropfte. Er hatte vergessen, eine Serviette hinzuzunehmen. Die Kollegen waren gekommen, um ihn kennenzulernen. Jetzt sahen sie ihm zu und erstarrten, wie er sein Gesicht, seinen Pullover und seine Hosen versaute. Es gab keinen Zweifel: Er war der Welt wunderlich geworden. Wer würde so einen einstellen?


Doch am nächsten Tag klingelte das Telefon: Man wolle ihn gerne unter Vertrag nehmen. Jetzt wichen die Flausen im Kopf den Vorzügen des Angestellten. Und er dachte: Im nächsten Jahr würde er sich teurere Weihnachtsgeschenke leisten.

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