Es ist brandaktuell und ein wirklicher Aufreger: In meinem beschaulichen Dorf, wo ausser fröhlichem Vogelgezwitscher und sonntäglichen Ausfahrten nicht viel passiert, treibt eine Gruppe Krimineller, die unschuldigen, ahnungslosen Bewohnern ihr ganzes Geld abknöpft, ihr Unwesen. Dabei ist es nicht irgendeine Gruppe, sondern richtiggehend eine organisierte Bande, eine - um es bei aller Korrektheit deutsch und deutlich auszusprechen - ungarische Verbrecherbande. Eine kriminelle Bande aus Ungarn. Wie wird also der Titel, den ich für die Lokalzeitung schreiben darf, lauten? Spielt es eine Rolle, dass die Täter - Täterinnen hat es wohl keine dabei - aus Ungarn stammen?
Soll der Journalist die Herkunft von Betrügern und Kriminellen verschleiern, um damit keine Ressentiments oder gar Rassismus zu schüren? Oder einfach ganz auf die Berichterstattung verzichten? In der berühmten Kölner Silvesternacht 2015 türmte sich eine Welle der Empörung auf, weil die Medien anfänglich nur zurückhaltend über die Vorfälle, in die mehrheitlich Personen aus Nordafrika und dem arabischen Raum verwickelt waren, berichteten. Die Empörten werteten dies als Indiz dafür, die Medien – insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen – steckten mit der Regierung unter einer Decke, vertuschten die Flut an krimineller Energie, die mit der Flüchtlingskrise 2015 übers Land hereinbrach.
Man könnte zurückfragen: Was soll mit der Nennung der Herkunft von Tätern erreicht werden? Wohl – und es gibt bei nüchterner Betrachtung keine andere Erklärung - eine Bestätigung der eigenen Vorurteile, eine Herabsetzung der Anderen, eine Bauchpinselei der eigenen Rechtschaffenheit, denn man wird als Bürger, der Zeit seines Lebens immer brav seinen Allerwertesten zur Arbeit bewegte und penibel pünktlich die Steuern zahlte, doch noch sagen dürfen, was man denkt. Und wenn der Journalist dabei keine Beihilfe liefert, ist er eben ein schlechter Journalist, ein Naivling, ein linker Vollpfosten halt.
Eine eindeutige Antwort gibt es bei dieser Frage meines Erachtens nicht. Die Nennung der blossen Herkunft ohne eine vertiefte Schilderung von Person und Umständen ist an sich irrelevant, weil sie strafrechtlich keine Rolle spielt. Sie krampfhaft nicht zu erwähnen, hat aber einen paternalistischen Beigeschmack. Zudem liegen die Wahrheiten immer im Auge des Betrachters – wenn ich den kriminellen Afrikaner sehen will, dann sehe ich ihn. Und war an jeder Hausecke.
Man könnte natürlich, um fremdenfeindlichen Strömungen den Wind aus den segeln zu nehmen, auch masslos übertreiben: Ungarisches Saupack versetzt Dorf in Angst und Schrecken! Ungarische Finsterlinge fallen über unschuldige Schweizer her! Kaum wahrscheinlich, dass mir die Redaktion einen Titel dieser Art durchgehen lässt. Die Reaktionen darauf abzuwarten, wäre aber ein interessanter Feldversuch.
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