«Dumm sein und Arbeit haben. Das ist Glück.» Gottfried Benns Zitat ist, so hoffe ich, keinesfalls in dem Sinne zu verstehen, als dass jener sich glücklich schätzen kann, der trotz seiner Dummheit eine Arbeitsstelle bekommen hat – im Gegenteil! Vielmehr versteht sich der Spruch des deutschen Dichters aus seiner Mitte heraus: Wer sich einreden lässt, dass Arbeit, also der Zwang, fremdbestimmt einer Beschäftigung nachzugehen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können, irgendwie mit Glück zu tun hat, dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen. Andererseits kann sich der Dumme natürlich glücklich schätzen, weil bei ihm der Funke niemals zündet, er nie die deprimierende Einsicht erlangt, dass er ein Leben als Sklave fristet.
Wenn das Schweizer Fernsehen in einem Beitrag ernsthaft die Frage stellt, ob Arbeit glücklich mache, zeugt das von einer Glücksvorstellung, wie sie Arbeitsideologen propagieren: Demnach ist glücklich, wer sich entweder im Markt zu behaupten vermag, es gewissermassen zu etwas bringt, oder, im bescheideneren Fall, einen Arbeitsvertrag samt gegebener Tagesstruktur und gesicherter Rente in der Tasche hat. Und nicht zu vergessen den Lebenssinn – den gibt es gratis dazu! Diese Glückspilze auf Ebene des Bodenpersonals werden insbesondere dann, wenn das Volk mal wieder zu den Wahlurnen pilgern soll, zum Heldentum hochstilisiert: So passiert vor einigen Jahren in einem TV-Talk, als die Zürcher SVP-Politikerin Natalie Rickli gänzlich ergriffen von der unerschütterlichen Arbeitsmoral ihrer Mutter erzählte: Die verdiente ihr Geld nämlich damit, Zeitungen in die Briefkästen anderer Leute zu werfen und während ihre Kolleginnen den subversiven Einfall hatten, die Arbeit niederzulegen, um sich eine Pause zu gönnen und zugleich vom Arbeitgeber ein paar Franken Zusatzgehalt zu erpressen, arbeitete Ricklis Alte tapfer weiter. Wow – was für eine Mutter! Solche Sklavinnen braucht das Land!
Das Lied von Markt, Arbeit, Wohlstand, von Konsum, Geld und Glück ist zu einem immerwährenden Hintergrundrauschen geworden, das alle Bereiche des Lebens durchzieht. Es ist so allgegenwärtig, dass wir es gar nicht mehr bemerken. Dem Umstand, sich als Mensch in einem Markt behaupten zu müssen, der in erster Linie nach Rentabilität selektioniert und der darüber hinaus dramatischen Veränderungen unterworfen ist, steht kaum Widerstand gegenüber. Dabei hätte der Kapitalismus wieder Gegenwind nötig. Er ist zu selbstverständlich geworden. Und – das Glück liegt nicht in der Sicherheit, sondern in der Befreiung.
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