Vom Dichten und Denken
- Daniel Costantino
- 7. Feb. 2024
- 1 Min. Lesezeit
Und was ein rechter Schneider ist, der wieget sieben Pfund.
Der rechte Dichter schreibt am frühen Morgen. Da hat er Inspiration von seinen Träumen. Sobald der Kaffee fertig ist, will er alles zu Papier bringen, bereitet den Tisch, die Bleistifte, das Papier, sucht den Spitzer und findet ihn lange nicht. Schon ärgert sich seine Poetenseele. Und schrumpft.
Als der Spitzer endlich gefunden ist, fällt er ihm aus der Hand, und das, wofür auch ein Dichter kein rechtes Wort findet, verstreut sich auf dem Boden: die Späne? Der am Spitzer festgemachte Behälter hat sich ausgeleert, und jetzt tritt er auch noch darauf und macht ihn kaputt. Er flucht. Die Inspiration ist weg. Oder nur fast? Er schreibt einen Titel: Fluchen bei Sonnenaufgang.
Man ersehe daraus, wie sprunghaft ein Thema ensteht oder vergeht. So ein Dichter ist ein schwankendes Ding.
Später will er einen Text redigieren und zerbricht sich über sexuelle Vorschriften den Kopf. Es gibt niemanden, der ihn da versteht. Alle Welt erkennt nichts ausser natürlichen Vorgängen.
Sein Zahnarzt, den er gegen Mittag aufsucht, malt ihm in den schwärzesten Farben den Raucherkrebs aus. Als ob nicht auch ihn einmal die Würmer fressen würden.
Am Nachmittag liest er einen Artikel über Kriegstauglichkeit. Ein Psychologe behauptet, das Militär könne der Ort sein, wo ein junger Mann sich durchsetzen lerne. Er weiss, dass der Psychologe recht hat, und ist trotzdem voller Opposition. Oder vielleicht gerade darum.
Abends stöbert er in Gedichten und liest von der fernen Geliebten, der eine Nachtigall zu Füssen hockt. So endet sein Tag mit der Erkenntnis, die romantische Liebe sei just der Nachtigall zum erbaulichen Lied erschaffen.
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