Vom arbeitenden Volk (neue Version)
- Caspar Reimer
- 22. Jan.
- 2 Min. Lesezeit
Jeder soll seine Mühsal selbst verrichten, vor der eigenen Tür wischen. Was in der Wohngemeinschaft gilt, hat am Arbeitsplatz gleich Gültigkeit zu haben, wobei wäre dem so, viele Sklavenposten obsolet würden. Wenn ein cholerischer Chef, der es im Leben immerhin soweit gebracht hat, ein paar arme Tröpfe für sich arbeiten zu lassen, den geplagten Seelen im Büro seine Laune um die Ohren zu hauen, der mit seinen Produkten die Menschheit befrieden will, denn immerhin hat er’s, das Produkt, erfunden, der aber im Büro die Sau rauslässt, die Lohnabhängigkeit als Freibrief für subtile Tyrannei quittiert, dann sollte jeder Mensch mit Würde das Feld räumen, den Bettel hinwerfen, ein paar Fäkalausdrücke dazu sind geschenkt.
Aber Nein! Die armen Teufel rackern sich weiter ab, schimpfen dem Chef den Tod, wenn er gerade nicht im Büro ist, um dann, schreitet er wieder prüfend durch die Räumlichkeiten, den Schein beflissener Arbeitsamkeit zu geben. Da bleibt nur der Trost am Wochenende, sich in der Shoppingmeile für eingesteckten Prügel etwas Schönes zu gönnen. Es versteht sich: Man hat eine Familie zu ernähren und irgendeine Form von Beschäftigung, die braucht es auch.
Als Journalist und Autor, als Student oder Akademiker, also einer, der in den Augen des hart arbeitenden Volkes im Elfenbeinturm hockt, bei dem Lohnabhängigkeit höchstens Gegenstand intellektueller Betrachtung ist, einer aus gutem Hause, der es nicht nötig hat, sich einem sogenannten Job hinzugeben, so einer hat leicht reden und wird den Zorn des Volkes auf sich ziehen.
Dabei sind die Ratschläge, die nach langer, eingehender, tiefer, mitfühlender und sehr philanthropischer Überlegung aus dem Elfenbeinturm erklingen wie der Ruf des Muezzins aus dem Minarett, diese Ratschläge, sie sind nicht falsch, sie sind nur in der Praxis schwerlich umsetzbar. Also gibt man dem Akademiker samt den Flüchtlingen und den Ausländern überhaupt die Schuld, rackert sich weiter ab, quält sich durch die Tristesse der Arbeit, die nur frei macht, wenn man gerade frei hat, und hofft auf einen saftigen Lottogewinn oder darauf, dass sich das Problem irgendwann von selbst löst. Denn das, soviel ist sicher, wird es bestimmt.
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