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AutorenbildCaspar Reimer

Virusmutationen und trockenes Gipfeli

Aktualisiert: 12. Mai 2021

Das Coronavirus mutiert nicht nur biologisch, sondern wandelt sich auch im Auge des Betrachters. Während die Einen jetzt - und zwar gerade und ausgerechnet jetzt - den Punkt ohne Wiederkehr wähnen, an welchem sich die Natur gegen die Ausbeutung der Mutter Erde durch den Menschen auflehnt, ihr eigenes Immunsystem in Form des gegenwärtigen Virus hochfährt, um die Krankheit namens Menschheit ein für alle Mal abzuschütteln, sehen die Anderen in der Bewältigung der Krise langfristig einen Schub an Innovation, Forschung oder gar einen Triebbeschleuniger in Richtung nachhaltiger Ökonomie – Covid19, eine schmerzliche, aber überwindbare Situation also und letztendlich nur eine kurze Episode in der Geschichte der Menschen: alles, was nicht umbringt, macht stark und die Menschheit hat es immer irgendwie geschafft (ausser jene, die gestorben sind natürlich…).


Während die NZZ von «den ewigen Schwarzmalern» schreibt, welche die gegenwärtige Krise nutzen, um ihr apokalyptisches Narrativ am Laufen zu halten, und weiter felsenfest davon überzeugt ist, das nur der freie Markt die Menschheit retten kann, hörten die anderen – schon vor Covid19 – damit auf, Kinder auf die Welt zu setzen, da es um das Schicksal der Menschheit eh schon und zeitnah bestellt sei. Und für die WOZ, die ich gerne in Schutz nehme, weil ihr häufig gut recherchierte Beiträge zu entnehmen sind, ist die gegenwärtige Krise ein eindeutiges Zeichen, dass der Kapitalismus – und der Postkapitalismus eigentlich auch schon – definitiv gescheitert ist.


Und dann gibt es natürlich noch die munteren Verschwörungstheorien - dort sind der Fantasie keinerlei Grenzen gesetzt, wenn ihnen auch allen gemein ist, dass Covid19 absichtlich von Menschenhand in Umlauf gebracht wurde – wahlweise, um das Bargeld abzuschaffen, 5G einzuführen oder – noch vor seiner Absetzung – Trump zu ermorden. Warum denn nicht? Und einige der Verwirrten rufen gar zum Mord an Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset auf. Immerhin eine Art Corona-Diktator sei er ja, schreien die Rechtspopulisten. Auch mit Corona lässt sich Wahlkampf betreiben.


Als Mensch, der die Dinge, die ihn nicht unmittelbar betreffen und ärgern - wie vielleicht ein trockenes Gipfeli vom Bahnhofkiosk - der eben diese etwas weiter weg liegenden Vorkommnisse nicht mit einer bestimmten Überzeugung oder Ideologie zu vermengen mag und auch nicht über den notwendigen wissenschaftlichen Überblick verfügt, als solcher fällt es schwer, in den einen oder anderen Kanon einzustimmen. Tägliche Pandemie-Berichterstattung, Corona-Stammtisch oder eine parteipolitische Betrachtung des Virus führen nicht weiter und lassen weiterhin im Ärger über das trockene Gipfeli verharren. Wenn allerdings die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula Von der Leyen – immerhin eine CDU-Politikerin und einige Jahre Vorsteherin der Bundeswehr - im Interview mit der ZEIT von der «grösseren ökologischen Krise dahinter» und von der Pandemie als Folge der «Umweltzerstörung» spricht, lässt dies aufhorchen, ich beginne zu grübeln. Was könnte ich nun tun? Für das Klima demonstrieren gehen? Einer politischen Partei beitreten? Nicht mehr fliegen (was natürlich nicht in Frage kommt)? Jedenfalls lege ich das trockene Gipfeli beiseite oder werfe es sogar in der Abfall (Foodwaste!) .

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