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Stefan George: An baches ranft


An baches ranft

Die einzigen frühen

Die hasel blühen.

Ein vogel pfeift

In kühler au.

Ein leuchten streift

Erwärmt uns sanft

Und zuckt und bleicht.

Das feld ist brach ·

Der baum noch grau ..

Blumen streut vielleicht

Der lenz uns nach.

 

 

Muss man’s bewundern, soll man’s bekämpfen, dieses Gedicht? Unmittelbar wirkt es so sorglos wie streng, etwas simpel und doch unwiderstehlich, hinterrücks wieder vollendet. Zum Schwärmen leicht und schön. Es gibt keinen vernünftigen Grund für die rhytmische Belebung der zweiten Zeile, diesen kurzen Hüpfer, man bemühe denn das Hervorschiessen des Frühlings zur Deckung von Inhalt und Form, papperlapapp. Aber dieser ,einzige frühe’ Trippelschritt – verzaubert er nicht das ganze Gedicht? Er tut es.

Er tut es? Aber der Vogel, der auch wie alle Vögel nur pfeift? Und das Leuchten, das doch etwas summarisch zuckt, allzu grobkörnig bleicht, um etwas wie Poesie zu verbreiten? Etwas Anderes noch als Information? Als Reimerei um des Reimes willen? Man könnte an jeder Zeile herumkritteln. Ob es klug ist, mich mit baches ranft der Öffentlichkeit zu zeigen? Pfeift streift bleicht vielleicht - vielleicht doch nicht.

 

Trotzdem erscheint das Reimschema ganz jugendfrisch. Wie ein Wurf. Die verführerischste Ironie. Steckt nicht unter verschossener Hülle ein launiger, quicklebendiger Körper?

Eine musikalische Gestalt, die sich fünfzeilig auch so darstellen lässt:

 

- ' - ' - ' - - ' - - ' - ' -

- ' - ' - ' - '

- ' - ' - ' - ' - ' - '

- ' - ' - ' - '

' - ' - ' - ' - '


Nach Sätzen geordnet, 25 Hebungen – zweimal sechs und vier, in der Schlusszeile fünf.

Der Zeilenreim widersetzt sich jeder Erwartung, und ich glaube, er trägt zur Verblüffung am meisten bei. Ein lockeres Trallalla dominiert die ausgeklügelte Formel, der Schluss von den nachgestreuten Blumen ergibt eine Reminiszenz an die deutsche Kultur, der Lenz erscheint fast wie der romantische Herbst mit seiner Melancholie. Oder handelt es sich um eine selbstreferenzielle Geste, man denke an den totgesagten Park, Georges wohl bekanntestes Gedicht? Um gefälligen Schmus des Dichters auf sich selbst? Was wäre denn dazu zu sagen?

 

Fragen über allen Ranft hinaus. Über die Massen schön gewisse Konsonanzen (einzigen zuckt lenz), Färbungen wie brach-(baum)-grau, Blumen. Die letzten Zeilen den vorderen nachgestreut. Und doch ein Kunterbunt von Reim und Rein, das nur sich selbst gefällig ist, büschelweis Alliteration voll Jugendstil und Haselstiel’. Im Gesamten schlägt wohl doch das arithmetische Mittel am kräftigsten zu Buche in diesem Gedicht, das schöne Kunstgewerbe.

Ein grosses Gedicht? Ein kleines. Eine gelungene Überraschung für zwischendurch.

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