Replik auf Martin Lohmanns Artikel „Angst essen Seele auf“
Es gibt Menschen, die in Kenntnis der Tatsachen lügen, um die Unkenntnis des andern zu ihrem Vorteil zu nutzen, man begreift‘s und verwirft’s. Doch ratlos macht der Mensch, der lügt, obwohl er weiss, dass der andre ebenso weiss. Er hat nichts vergessen und nichts verdrängt, wie der Laie mit dem Fachmann sagt, er hat ein Elefantengedächtnis, und immer lügt er trotzdem noch. Es ist eine Verlogenheit in ihm, eine Verbogenheit, eine Falschheit durch und durch, die er sich auf einen bestimmten Reiz wie einen Reflex herangezüchtet, wie einen guttrainierten Sekundärinstinkt. Den Widerpart eines Dummkopfs abgezogen, den er immer finden wird und dem eine gewisse Ausstrahlung oder die Autorität eines Titels über alles andere geht - unser Verlogenheitslügner wird von seinem Tun auch dann nicht lassen, wenn ersichtlicherweise kein Vorteil für ihn herausschauen kann. Und eins fällt auf: die Verdrehung. Er hat sich darauf kapriziert, alles Verschulden von sich zu weisen, ja, mehr noch, den andern und die andern des eigenen Verhaltens zu zeihen, so dass eine charakteristische Spiegelung entsteht, in deren Widerspiegelung man ihn erkennt - was er über den Gegner sagt, gilt exactement für ihn selbst.
Martin Lohmann ist ein solcher Fall. Er steht, ein katholischer Theologe und Historiker, exemplarisch für viele andere Scharfmacher seiner Kirche. Es wird nicht fruchten, ihm mit einem Argument zu kommen, er steckt es als Zettel in einen Zauberhut und löst es flugs in Luft auf. Ein wenig später springt es als weisser Hase wieder aus dem Hut heraus und schlägt die tollsten Kapriolen. Er kennt die historischen Fakten selber wie kaum ein Zweiter, er ist auch Historiker noch, aber er mischt sie auf, wie ihm beliebt, und betreibt damit statt einer regelgerechten Interpretation eine obskure Kartenlegerei. Er schreibt und schwafelt von der Diktatur und bewirft noch die Unbescholtensten mit dem Wort, wie ein Lausejunge die Leute auf der Parkbank mit Sand beschmeisst. Er, der nun wirklich eine Organisation vertritt, die Millionen Opfer in Angst und Schrecken versetzt, die Sünde, Schuld und Teufel erfindet, was sag ich, verkündet und beschwört, die Terror, Krieg und massenhafte Seelenpein verantwortet, die Scheiterhaufen und Kadavergehorsam kennt, er nun intelligentelt und skribentelt von der Angst vor der Freiheit, vor Respekt, vor Toleranz, der Angst vor der Menschenwürde, vor der Ehrlichkeit, der Redefreiheit und verteilt sie samt und sonders und locker wie ein Taschenspieler auf alle, die er für seine Gegner hält, und da kommt viel zusammen. Und was hat er für ein Argument? Das „Gift des Relativismus“, auf katholisch: alle Religionen für gleichberechtigt zu halten. Gar die „Diktatur des Relativismus“: die sexuelle Revolution, worunter er massgeblich die Rechte für Homosexuelle versteht. Er kommt einem vor wie jene deutschen Pfaffen, die nach dem 1. Weltkrieg die Kriegschuld den „leichtfertigen und anstössigen Kleidertrachten von auswärtigen Weltstädten“, insbesondere der „Zügellosigkeit und Lüsternheit von Paris“ in die Schuhe schoben.
Die Religionskritiker (er schreibt das schauderhafte Wort in Anführungszeichen) etwa haben laut Lohmann ein „brüchiges Selbstwertgefühl“, verleumden, sind aggressiv, unanständig, schüchtern ein - und sollen sich empören, wenn Menschen ihr Leben nach dem katholischen Lehramt ausrichten. Oh nein. Sie empören sich über die Verdrehungen und Unterstellungen Lohmanns. Nicht „das Religiöse“ stört sie, wie er behauptet, sondern der Macht- und Weltmachtanspruch im Namen der Unasancta. Und natürlich die damit verbundenen Verleumdungen und Einschüchterungen.
Vorne ein Spiegel, hinten ein Spiegel, und seitlich links und seitlich rechts ein Spiegel. Der eine widerspiegelt sich im andern, der andre im einen und wiederum im dritten, der dritte im vierten und wiederum im ersten und zweiten. Im ersten der vierte, darin der dritte und zweite, der vierte im ersten vom dritten des zweiten und zehnten des zweiten vom dritten des ersten. Und wiederum und wiederum ad infinitum. In der Mitte Lohmann und übt Schattenboxen gegen tausend Gegner. Alle er selbst!
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