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Daniel Costantino

So steht die Sache


Eine junge Deutsche entschuldigt sich bei einem jungen Israeli dafür, was das deutsche Volk dem jüdischen angetan habe. Der Israeli erzählt mit Genugtuung davon. Mich dünkt das beides nichts Gutes. Für mich gibt es keine Völker.

 

Die Populisten schänden die Werte, die sie schützen wollen. Und sie beanspruchen das Monopol auf die Schändung.

Das lässt sich freilich über Andere auch sagen.

 

Er lese keine modernen Autoren, sagt ein Freund, sie schielten nur auf den Markt. Der neoliberale Zeitgeist habe die Literatur zerstört.

Nun – wer ehrlich sein Geld verdienen wollte, ist immer Rosineneinpacker geworden.

 

Alle Jahre ein- oder zweimal Elogen auf Frisch und Dürrenmatt, Schweizer Helden der Literatur. Ich schlag mich für Dürrenmatt, er ist kein Anpasser, denkt freier und tiefer als Frisch. Dafür schreibt er hie und da etwas hemdsärmlig. Aber immer unter einer Perspektive, indes der Andere nur die Schablone hat.

 

Bis zum Alter von etwa 35 Jahren unterhielt ich mich mit Jugendlichen von gleich zu gleich. Jedenfalls war das mein Gefühl. Jetzt, mit über sechzig, hege ich zwar schon grossväterliche, aber nichtsdestoweniger noch immer sehr familiäre Gefühle, indes die Jugend mich natürlich längst schon siezt.

 

Ein Arbeitsloser, höre ich in einer Talkrunde aus Deutschland, soll wieder in Lohn und Brot kommen. Ich verbinde mit dem Ausdruck das Bild einer braven, vor den Pflug gespannten Ackermähre. Im Schweizer Fernsehen würde man von einer Chance sprechen, die jeder Arbeitslose verdient. Die schenkt meiner Fantasie zwar nicht das Bild der Ackermähre; dafür meinem Ohr einen ebenbürtigen Missklang.

 

Ich weiss weder über Russland noch über die Ukraine wirklich Bescheid, da geht es mir wie fast jedermann. Und mit Israels oder Palästinas Geschichte habe ich mich auch nicht eingehend befasst. Ich kenne mich aber mit unsereiner aus und denke, dass hierzulande auch über diese Themen die krudesten Theorien im Umlauf sein müssen, weil für gewöhnlich selbst mit der Wahrheit noch gelogen wird. Mit dem besten Gewissen, selbstverständlich.

 

Eine Lüge, lange genug verkündet, erscheint zuletzt als die Wahrheit. Zum Beispiel, der Schweizer sei frei. Das weiss ich nun allerdings besser. 

 

Cioran, Über das reaktionäre Denken: Wir vegetieren in der eintönigen Vollendung des Guten.

Genau so habe ich mir das christliche Paradies immer vorgestellt.

 

 

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