Kindergarten
Windelnwechseln im Kindergarten. Theoretisch gilt ein striktes „Vieraugenprinzip“, ist die Anwesenheit zweier Kindergärtnerinnen Vorschrift. Ihren männlichen Kollegen dagegen ist es verboten, Kindern die Windeln zu wechseln. Sie dürfen unter keinen Umständen dabeisein - „das hätte einen Aufstand in der Bevölkerung zur Folge.“ Aber die Kindergärten können sich zwei Angestellte sowieso nicht leisten, und darum werden in der Praxis auch keine Windeln gewechselt. Die Bevölkerung kann sitzenbleiben.
Kirchenglocken
Bestrebungen, das Geläute von Kirchenglocken abzuschaffen. Es sei sinnlos geworden in der heutigen Zeit. Ausserdem müsse man hart arbeiten den langen, hektischen Tag und könne nachts nicht schlafen, wenn es immer wieder vom Kirchturm schlage. Je nun, mir scheint das ganze Leben sinnlos, und hektisches Arbeiten ganz besonders.
Schriftsteller
Die phantastischsten Morde fallen ihm ein, die kühnsten Gaunereien. Den ultimativen Polit-Thriller will er schreiben. Aber jedesmal, wenn er zur Feder greift, verheddert er sich am Détail einer Türfalle, die ein Übeltäter mit Vorsicht zu drücken hat, an der Mechanik einer Geheimschublade oder am Inhalt einer überfüllten Damenhandtasche, in welcher eine giftige Pille liegt. Immer muss er sich mit den profansten Dingen beschäftigen und über Sachen schreiben, die er nicht kennt, von denen er nichts weiss und die ihn nicht interessieren.
Unbill im Zug
Es war ziemlich finster in der engen Zugtoilette, nur spärlich flimmerte ein dünnes Neonlicht. Unter dem schaukelnden Boden rumpelten und tätschten die Schienenschwellen, und gegen die Scheibe toste der Wind. Er drehte am Seifenspender. Ein feines, weisses Pulver rieselte reichlich in seine ausgestreckte Hand. Die Bedienungsknöpfe lagen tief unter einer Verschalung im Lichtschatten. Er konnte die Symbole auch in der Hocke und mit der Lesebrille, die er mühsam mit der andern Hand überkreuz aus dem Jackett hervorklauben musste, nicht lesen. Da fuhr der Zug plötzlich in einen Tunnel. Der Wind schnappte auf, als wollte er ihn verschlucken, und die Verschalung begann zu vibrieren. Aufs Geratewohl drückte er schliesslich, immer noch gebückt, halt irgendeinen der Knöpfe, und zwar mit dem Zeigefinger der geöffneten Hand, in der das Seifenpulver lag. Mit der andern hielt er sich jetzt am Lavabo fest. Er erwischte statt des Wassers aber die Druckluft, die wie eine Schockwelle herausplatzte und ihm das Seifenpulver von der Hand ins Gesicht und über die Kleider spritzte. Dann fuhr der Zug aus dem Tunnel wieder heraus, und er stand nun da im krachenden Kabäuschen wie ein mit Mehl bestäubter Pudel.
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