Albert Camus, Weder Opfer noch Henker. Ein Essay über die politische Situation nach dem zweiten Weltkrieg. Fälschlicherweise glaube ich, das Werk sei 1953 geschrieben, und staune über soviel Klarsicht in der damaligen Zeit. Dann erfahre ich aber, es sei schon 1946 publiziert worden. Und staune noch mehr, ja, fange an, Camus zu bewundern. Meine Einsicht, politisch schwer von Begriff zu sein und was diese Zeit anbelangt sowieso, tut dem keinen Abbruch.
Dirk Kurbjuweits „Zweier ohne", eine ärgerliche Schullektüre und Novelle über zwei Schulfreunde, die zusammen Ruderwettkämpfe betreiben und wie Zwillinge werden wollen, damit sie ihre Hauptkonkurrenten, die echte Zwillinge sind, in den Regatten schlagen können. Es taucht da eine Mutter auf, die flennt, wenn ihr Sohn am Mittagstisch nicht ausisst, und die sofort wieder glücklich erstrahlt, wenn ihm das Essen am andern Tag wieder schmeckt; ein Mädchen, genannt Russenschlampe, das man selbander ficken und nach Gebrauch wegwerfen kann, und das trotzdem noch tagelang sehnsüchtig am Ufer hockt, wenn die zwei ihre täglichen Trainingsfahrten auf dem Fluss absolvieren; das Motiv der Freundschaft, deren höchste Stufe es sein soll, wenn der eine an Gewicht zu- und der andere parallel dazu an Gewicht abnimmt.
Was will der Autor? Witze machen? Dann sollte er etwas zum Lachen geben. Denkanstösse setzen? Aber die reichen ja nicht einmal für den Kindergarten! Wenn einer einen Wettkampf verliert, den er ohnehin nicht gewinnen kann, muss der andere Angst haben, der Freund springe ihm von der Brücke. Um gotteswillen, was sind das für Dramen!
Königs Erläuterungen erläutern Grosses dazu, Symbolhaftes und allerhand Leitmotivisches, eine hohe Brücke als die Lebensgefahr, ein Motorrad als zwei Leben in einer Hand, was wieder Freundschaft und Zwillinge; Selbstmörder, die von besagter Brücke springen, als den Tod und nämlich auch wieder als die Gefahr und auf ihre Art auch wieder die ewige Freundschaft; sie sehen die Erzählung von Parataxen und Ellipsen und Anaphern und man weiss nicht was noch für tollen rhetorischen Dingen auktorial durchzogen. Aber es hat nichts in dieser Novelle die Kraft, symbolhaft oder leitmotivisch zu wirken, es wirkt hier durchgehend die Lächerlichkeit.
Die Protagonisten erscheinen als blutleere Kopfgeburten, die Moral der Geschichte als wie mit dem Zaunpfahl auf den Schädel des armen Lesers gehauen, und nicht einmal die Themen sind plausibel, so klischiert wirkt hier alles.
Ab und zu eine Kolumne von Bärfuss, die Spannung steigt. Er erzählt aus der Ilias, dass sich dem griechischen Heerlager ein Greis nähert und seine Tochter, Chrysëis, von Agamemnon zurückbegehrt, der sie gefangenhält. Bärfuss lässt Agamemnon in indirekter Rede antworten: Die Tochter werde er erst herausgeben, nachdem er sie restlos ausgebeutet habe, bis dahin müsse sie ihm zu Diensten sein, tagsüber als Arbeiterin am Webstuhl, nachts als Sexsklavin in seinem Bett.
Dem Agamemnon solche Worte und ein solches Gedankengut in den Mund zu legen, halte ich für eine Todsünde. Sie bricht mit jeder Redlichkeit, die ein Autor seinem Publikum schuldet.
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