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Daniel Costantino

Roland Kaehlbrandt: Unsere Sprache ist genial

Aktualisiert: 17. Juni 2021

Roland Kaehlbrandt heisst jener Germanist und Sprachkritiker, dem immer das erste Wort eines Satzes den Hauptakzent zu tragen hat und der, wie es ihm neuerdings viele gleichtun, den deutschen Wortschatz auf fünf Millionen Wörter veranschlagt, was nicht nur an seinem eigenen gemessen babylonisch hoch gegriffen scheint. Über den Daumen gepeilt wird er kaum ein Promille davon aus seinem Doktorhut zaubern können, und selbst diese vergleichsweise wenigen schlagen ihm oft genug Kapriolen wie rammlige Hasen und paaren sich kunterbunt durcheinander.


So lässt Kaehlbrandt beispielsweise eine Beherrschung bröckeln, nämlich die Sprachbeherrschung: Die allgemeine Sprachbeherrschung bröckelt zunehmend, schreibt er im ersten Satz seines Artikels mit dem Titel „Unsere Sprache ist genial“. Nach diesem verfehlten Auftakt hofft man schon mit Bangen, Kaehlbrandts Text möge im weiteren Verlauf ein bisschen abnehmend bröckeln. Ein langer und steiniger Weg, konstatiert und konstruiert er aber munter weiter, werde behindert durch Geringschätzung vor der eigenen Haustür.


> Unsere heutige deutsche Sprache mit Grammatik, Hochlautung und einem sehr reichen Wortschatz von rund fünf Millionen Wörtern verdankt diesen Zustand... einer beherzten sprachkultivierenden Arbeit engagierter Vorkämpfer. Es war ein langer und steiniger Weg dahin, immer wieder behindert durch Geringschätzung vor der eigenen Haustür. <


Oder meint er wohl, da er vom ehemals angeblich formidablen Zustand der deutschen Sprache spricht, dieser Zustand selbst sei durch Geringschätzung vor der eigenen Haustür behindert worden? Oder die sprachkultivierende Arbeit wurde vor der Haustür behindert? Vielleicht gar die beherzten Vorkämpfer der deutschen Sprache? Man kann sich’s aussuchen, was er sich wohl gedacht hat. Es ist jede Variante ein Unsinn. Dieselbe Geringschätzung hat aber nicht nur den steinigen Weg behindert, weiss Kaehlbrandt, nein, diese Geringschätzung „ist auch heute wieder am Werk“.


Unser Sprachkritiker vertut sich auch im Satzbau, was wenig verwundert, da er schon in seinem „Lexikon der Sprachverwirrungen“ (Piper Verlag 2007) streng die Betonung des Satzanfangs vorschreibt und damit im selben Spittel und mit denselben Symptomen krank liegt wie jene Autoren, an denen er in seinen Verwirrungen herumdoktert.


> Und wo noch Deutsch gesprochen wird, ist es oft nicht besser bestellt. Zum führenden Jargon unserer Zeit ist ein aufgeblähtes und schwer verständliches Imponierdeutsch aus dem Bereich des Managements aufgestiegen. <


Er macht es also anders als wohl alle seine gepriesenen Vorkämpfer, er setzt die eigentliche Aussage, das, worum es ihm geht, an den Satzanfang. Mit diesem Brauch aber verwässert er die Besonderheit des Deutschen und untergräbt die sprachkultivierende Arbeit, die er angeblich hochhält. Richtig gut deutsch müsste der Satz heissen: Ein aufgeblähtes und schwer verständliches Deutsch aus dem Bereich des Managements ist zum führenden Jargon unserer Zeit aufgestiegen. Dann schludert er wieder mit dem Wortschatz, nennt die Ausdrücke StaatsanwältInnen und Testamentsvollstreckende Wortungetüme, was besagt, sie seien übergross, riesenhaft, zu vielsilbig. Nun, der eine hat fünf, der andere sieben Silben, ausserdem sind Staatsanwältinnen auch ohne Binnen-I garnicht, Testamentsvollstreckende nur unwesentlich kleiner als Testamentsvollstrecker zu haben. Selber gibt er hingegen im gleichen Satz die „Gerechtigkeitssemantiker“ zum besten, was denn wohl ein noch grösseres Ungetüm wäre. Kaehlbrandt wird ein anderes, aussersprachliches und womöglich unreflektiertes Problem mit sich herumtragen. Ohne weiteres lässt er sich einen Bombast wie die „niedrigschwellige Massengesellschaft“ durchgehen. Ob er wohl solche eigenen Begriffe im Kopf hat, wenn er die deutsche Sprache für genial hält?


Nachdem sie anfangs schon bröckelte, befindet sich nun laut Kaehlbrandt folgerichtig nicht die deutsche Sprache, sondern wiederum die Sprachbeherrschung in einem jämmerlichen Zustand. Drollig, wie er nur wenig später beklagt, sprachlicher Ausdruck werde immer häufiger als Nebensache abgetan. Und natürlich andere beschuldigt, den „Ausgang aus der vollentwickelten Hochsprache Deutsch“ zu betreiben.


> Dabei sind es vor allem Akteure im eigenen Land, die den Ausgang aus der voll entwickelten Hochsprache Deutsch betreiben. <


Als sässen sie dorten an der Kasse und verkauften weisse Würstchen.


Da kann er lange von der Fähigkeit der deutschen Sprache zur Wortschöpfung begeistert sein, lange von ihrem hervorragend zu kombinierenden Wortschatz schwärmen (Kinderarzt, Zahnarzt, Hals-, Nasen-, Ohrenarzt, wie bestechend doch die Beispiele!), seine alte Orgel vom elastischen Satzbau spielen, den hochdifferenzierten Ausdruck sozialer Handlungen rühmen (mach’s halt!), Luther, Kant und Kehlmann vorschieben - es bleibt doch jede Sprache ein lustig Ding, wenn man sie wie Roland Kaehlbrandt verpfändet und, nun ja: betreibt.


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