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Mondesaufgang. Erhellendes zur deutschen Dichtkunst, Teil 2

Helmut Heissenbüttel

Schlager antik

(nach 1950)


der göldnen Sternen Reihungen erbleichen

Orion fällt bestürzt und die Plejaden weichen

die totgesagt war Liebe bricht herein

und Tag und Nächte sind mit sich allein

verrückt schau ich die Zeit die läuft zurück

ich schau was ist wie ein Theaterstück

gewisser Ungewissheit Traurigkeit

füllt die in sich zurückgekehrte Zeit

Oktober hat noch einmal dies durchtagt

und Zukunft sich erfüllt wie es vorausgesagt

der Ruhe Geist ist in den Stunden

der prächtigen Natur mit Tiefigkeit verbunden

in traurigem Gesang erkennt

sich meines Schmerzes süsses Instrument

geblieben ist was mir nicht war gewohnt

hier unter diesem wechselweisen Mond

und was ich noch zu sagen wüsste

ist nicht was ich zu sagen sagen müsste

wenn aber Liebende die weinend wollten scheiden

nach unerhörter Sehnsucht langen Leiden

ans Herz sich dennoch dürften wieder pressen

zu küssen würden sie sich hier vergessen


„Finden sich Arnims Beiträge zur deutschen Lyrik (s. Teil I) und ähnlich geartete Ergüsse seiner Kollegen zu hunderttausenden im Internet, Mindernet, so fehlt ein solch kluges Vögelein leider indes. Mit diesem Beitrag sei ihm ein erstes kleines, feines Nest gebaut. Google wirds bald weisen, ob es flügge werden will und von dannen ziehen in die weite Welt.“

Das schrieb ich 2007 und publizierte das Gedicht auf einer anderen Webseite. Inzwischen, ende 2021, kommt es auf neun Nennungen. Gut Ding will eben Weile haben.


Heissenbüttel hat sich zu seinem Dichten so geäussert: "Eingewickelt in Maschen aus Meinung und Sprichwörtern und all solch Nachschleifendem. All dies Nachschleifende hinter mir herschleifend. Wenn ich mich rühre, wird immer alles mitberührt ... Verheddert sich. Zieht sich stramm. Spannt reißt schleift hängt. Ich halte mich still und es bewegt sich alles durch mich hindurch."

Solche Sätze versetzen mich in die Stimmung, Heissenbüttels Spur zu folgen und nachzuschauen, was von seinen Werken noch aufgetrieben werden kann. Ob die 'Textbücher' (etwa 'mehr oder weniger Geschichten', 1965, 'Abhandlungen über den menschlichen Verstand', 1967, sie alle, 1-6); 'Eichendorffs Untergang und andere Märchen'; 'Wenn Adolf Hitler den Krieg nicht gewonnen hätte' - mein Geist ist hellwach geworden:


"Ich rede wenn ich rede in einer Sprache die meiner Rede fremd ist. Meiner Rede ist die Sprache in der ich rede uneigentlich. Redend in der Sprache die der Rede fremd geworden ist wird diese Sprache anders."


Und den gar zahlreichen Nachkommen von Arnims und sonstigen Kirchenlichtern sei gesagt, was schon vor 200 Jahren galt: Wohlfeile Sprache verdirbt am schnellsten. Vorallem den Charakter.




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