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Daniel Costantino

Ministerin Spiegel und die Verantwortungsgemeinschaft

Aktualisiert: 27. Jan. 2022

Eine Annäherung


Da sitzt sie, am 20. Januar 2022, zum Antrittsbesuch bei Markus Lanz in der Talkrunde, die neue deutsche Familienministerin Anne Spiegel von den Grünen, und soll die „Verantwortungsgemeinschaft″ erklären, eine geplante Änderung im Familienrecht, welche die Bundesregierung – Parole: mehr Fortschritt wagen! - im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat. Die Verantwortungsgemeinschaft soll die bisherige Vollmacht für Stiefeltern, das „kleine Sorgerecht“, modernisieren und ausweiten.


„Zwei Alleinerziehende″, hebt die Ministerin an, „statistisch gesehen sind das eher Frauen, zwei alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern ziehen zusammen in eine Wohnung und wollen eine Verantwortungsgemeinschaft sein, das heisst, sie wollen Verantwortung für sich und ihre Gemeinschaft, in der sie zusammenwohnen in der Wohnung, übernehmen.″ Es handle sich dabei um keine Liebesbeziehung, sondern bloss um zwei Alleinerziehende, die füreinander Verantwortung übernehmen möchten. Und dem möchte man eben einen Rahmen geben. „Und was wir eigentlich machen, ist dass wir merken, Familie ist sehr sehr viel Vielfalt. Diese Vielfalt ist in der gesellschaftlichen Realität da, und die Politik ist jetzt gefragt, die politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen an die gesellschaftliche Realität anzupassen.″

Es geht also den beiden Müttern nicht um Liebe, das wird das Ministerium ihnen glauben dürfen. Doch was, wenn die beiden entgegen aller Statistik eines Tages doch den Fortschritt wagten und ein Liebespaar würden und ihre neuen Gefühle in Verantwortung füreinander, wie es ihre Pflicht dann wohl wäre, brav dem zuständigen Amt meldeten. Wenns dumm läuft, müsste der Staat bei aller Einsicht in die Vielfalt des Familienbegriffs halt doch wieder eine gewisse Einfalt wagen, um nicht dauernd das neue Gesetz einer von ihm nicht vorgesehenen Liebe, sondern die unvorhergesehene Liebe dem neuen Gesetz anzupassen.


Ja, die Realität, die da ist! Manchmal ist sie, nach dem klugen Dr. Helmut Kohl, eben doch anders als die Wirklichkeit.


Angenommen, zwei lesbische Frauen kriegten ein Kind, führt Moderator Lanz ein anderes Beispiel ein. „Der Samenspender ist ein Bekannter, Freund oder was auch immer.″ Der möchte, was Lanz gut nachvollziehen kann, es handle sich beim Kind ja um die Hälfte seines Genmaterials, auch Verantwortung übernehmen mit allen Rechten und Pflichten. Ob das möglich sei?

Ein Wasauchimmer mit seinem Genmaterial. Die Ministerin bleibt tapfer und bejaht. Sie setzt sogar noch einen drauf: Sie habe schon von zwei lesbischen Frauen, die mit zwei Männern ein Baby bekommen hätten, eine Zuschrift mit einem Foto des Kindes gekriegt. Es werde also, schliesst sie messerscharf, eine biologische Mutter und einen biologischen Vater geben von den Vieren, „und die Vier möchten jetzt gemeinsam sich um das Baby kümmern, und genau für solche Menschen wird es andere gesetzliche Rahmenbedingungen geben, mehr Verbindlichkeit als bisher.″

Aber Mensch bleibt Mensch und auch solche Menschen sind am Ende nur Menschen. Wenn einer von den Vieren aus der Sache wieder aussteigen und sich trennen will, sich „so etwas wie scheiden lassen will?″, will der gut vorbereitete Moderator wissen. Das müsse, antwortet Spiegel, alles noch vom Justizminister und ihr ausformuliert werden.

Nun ist das Ausformulieren nicht die Stärke der Ministerin, alles indirekt von ihr Zitierte ist stark ins Deutsch und Deutliche redigiert. Wenn Kollege Buschmann von der FDP auch nicht besser formuliert, wird man zum Ausformulieren noch einen Minister für deutsche Sprache hinzuziehen müssen.


Auf wieviele Mitglieder eine solche Verantwortungsgemeinschaft anwachsen könne, fragt Lanz. Ob die Grossmutter da auch mitmachen könne und, wenns schief gehe, Alimente zahlen müsse. Familie, erklärt die Ministerin, sei dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernähmen. Das sage schon einmal sehr viel über die Vielfalt des Familienbegriffs aus, weiss sie. Lanz hakt nach: ob die Grossmutter nun Unterhalt zahlen müsse oder nicht, wenns schief gehe mit der Verantwortungsgemeinschaft? Spiegel lässt sich nicht beirren. Es gebe jetzt schon Grossmütter und Grossväter, die Verantwortung übernähmen und ein wichtiger Teil der Familie seien. Und verweist wieder auf Kollege Buschmann, mit dem sie das besprechen wolle. Lanz aber lässt nicht locker: es gehe ihm nicht um freiwilliges Mitmachen, sondern um den rechtlichen Rahmen der neuen Verantwortungsgemeinschaft. Ob die Grossmutter, wenn sie aus dem Vertrag aussteigen und nicht mehr mitmachen wolle, in die Pflicht genommen werde?

Spiegel will das nicht als Mitmachen bezeichnet haben, Familie sei ja nicht „ein Club oder eine Mitgliedschaft, wo man sich melden kann.″ „Ein bisschen schon!″ beharrt Lanz, und da hat er gegen die Ministerin mit ihrer „Verantwortungsgemeinschaft″ natürlich recht, welcher bei der so sehr vielen Vielfalt der rotgrünblauen Familie ausgerechnet zur kommunen Grossmutter nichts einfallen will. Eine Familie sei „ja schon eigentlich im Idealfall ein Band, was ein Leben lang hält und einen auch zusammenschweisst.″ Das hätte der alte Kohl von den Christdemokraten auch nicht schöner sagen können.


Und tatsächlich erhält die grüne Ministerin von der CDU-Abgeordneten Winkelmeier-Becker, die ausserdem in der Runde hockt, einen Sukkurs wie Fliederblüten. Die redet von der „gewillkürten besonderen Verantwortungsgemeinschaft″ und findet es schön, „wenn man für die Dinge, die einfach auch der Lebensrealität entsprechen, entsprechend positive Begriffe findet″, weil es die Chance erhöhe, „positiv in diese Verhältnisse hineinzugehen. Das ist immer gut, denn dann werden die auch tragfähiger.″

Das ist wiederum nach dem Geschmack der Ministerin Spiegel, der zum Beispiel der Begriff Stiefmutter ein Dorne im Auge ist. Sie spricht lieber von der „Bonusmutter″. Sie lese ihren Kindern oft Märchen vor, da habe die Stiefmutter doch eher eine negative Konnotation. Lanz kann trotz der Gegenwehr, das mache die Sache im Märchen ja nicht besser, nichts ausrichten.

Je nun. Es ist immer gut, zu sagen, was man denkt, und zu tun, was man sagt. Genau dieses Motto hat sich ein anderer Neuer, Frischer, ein personifiziertes Signal des Aufbruchs zu eigen gemacht: CDU-Parteichef Friedrich Merz. Über die Küchenphilosophie seiner Abgeordneten Winkelmann und ihre Bedeutung in der modernen Gesellschaft müsste er einmal nachdenken. Vielleicht schlägt er sie bald als Rednerin für ein Managerseminar vor?

Den neuen Bundeskanzler immerhin wird es freuen, die Opposition so schön in die Familienarbeit seiner Regierung einbezogen zu sehen. Einer Regierung, die aus Angst, an der ersten wichtigen Entscheidung ihrer Amtszeit zu zerbrechen, zur allgemeinen Impfpflicht nicht Farbe bekennt und sie womöglich ohne die Hilfe der Opposition nicht durchbringen wird.


Was aus den Gesprächen der Minister Spiegel und Buschmann für die Grossmutter herausschaut, wird man noch sehen, und welche Verantwortung sie künftig ausüben darf, und wäre es, dass sie am Ende dem Samenspender für ihren Enkel von ihrer schmalen Altersrente wird Unterhalt zahlen müssen.





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