Macht Arbeit glücklich?
- Daniel Costantino
- 17. Aug. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Arbeiten wir, um zu leben oder leben wir, um zu arbeiten? Diese alte Menschheitsfrage, früh von antiken Philosophen aufgeworfen, denen Arbeit als eines freien Menschen unwürdig erschien, scheidet seit der Heraufkunft der Freiheit für alle und ihrer Auslese der Fittesten wieder die Geister und spaltet unser einzig, von Schaffenskraft strotzendes Volk an der hehren Kante von Idée Suisse und hoher Krankenkassenprämie mitten entzwei. Auch unserem braven Fernsehen liegt sie schwer auf dem Tisch. In der Ankündigung einer Sendung mit dem Titel: Macht Arbeit glücklich? vernimmt man, dass „Arbeit unserem Leben Struktur und dem Einzelnen Anerkennung gibt und das gute Gefühl, Teil eines grösseren Ganzen zu sein.″
Aller Folklore fällt es natürlich schwer, immer den alten Marsch zu blasen und ihm einen lebendigen Touch abzugewinnen, besonders der öffentlichrechtlichen. Aber ein bisschen mehr Schmiss hätte dem Lob der Arbeit im ersten Programm halt schon gut getan. Jedes faschistische Fähnlein marschiert doch zum selben Tschindara, Teil eines grösseren Ganzen zu sein.
„Muss unsere Arbeit uns überhaupt glücklich machen oder holen wir unsere Zufriedenheit nicht besser in anderen Bereichen des Lebens?″ lautet eine andere drängende Frage der Redaktion. Die televisionäre Gleichsetzung von Glück und Zufriedenheit nimmt der Sache schier den ganzen Wind aus den Segeln, wenn man’s recht bedenkt. Einer Institution, der Glück bedauerlicherweise bloss eine Art Sattheit bedeutet, mag das höchste der Gefühle im Erreichen einer hohen Einschaltquote widerfahren; einem Volk, dem die Frage nach dem Glück so beiläufig wie die Frage vorkommen muss: wie geht’s? wäre da wohl eher zu trauen - danke, immer blendend.
Man müsste sich die Sendung anschauen, um mit etwas Glück über den „unfreiwillig Arbeitslosen″, dem als solchem gemäss dem Schweizer Fernsehen jedes Glück auf Erden verwehrt ist, vielleicht eine Vorstellung vom freiwillig Arbeitslosen zu bekommen, einer Spezies Mensch, die aus den tiefen Sümpfen des Fernseh- und Mediendschungels noch nicht aufgetaucht ist, nicht unter diesem Begriff. Das wär doch mal was! Endlich ins Himmelblau des Flimmerlichts gezerrt, erweist er sich, werweiss, als der glücklichste Mensch auf Erden und gäb’s auch noch zu!
Möglicherweise sind die Fragen, die solche Formulierungen und die entsprechende Geisteshaltung aufwerfen, die interessanteren als die Fragen der Sendung. Nicht zuletzt für das Schweizer Fernsehen, das einmal darüber brüten sollte, wie eine junge Frau, die das Maurerhandwerk erlernt, gendergerecht benannt werden kann. „Maurerhandwerk″ erscheint in diesem Zusammenhang zwar natürlich, aber natürlich einem Sender mit Programmauftrag fragwürdig, generisches Maskulin. Die beflissen Mitarbeitenden erfinden also eine „Maurerlernende″, was dem Lernprozess etwas Beiläufiges, Temporäres gibt, so wie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gestandener klingt als die Mitarbeitenden, die ein Zufall, der sie bald wieder ausstösst, herbeigespült haben mag. Wer dem Sender die Absicht zugutehält, muss aber doch darauf bestehen, keine halben Sachen zu machen: Maurerinlernende, etwas Anderes kann es nicht geben! Die junge Frau wird doch bitteschön eine Maurerin und nicht ein Maurer.
Maurerinlerndende. Man stolpert vielleicht beim ersten Lesen darüber, spricht Maurerin wie Rosmarin, aber das wird für das Schweizer Fernsehen schliesslich kein Argument sein.
Wer will es ihm stecken?
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