Es besteht ein Unterschied zwischen Trauer und Erinnerung. Es sind zwei verschiedene Zustände, die sich teils vermischen, aber letztendlich gut trennen lassen. In der Trauer ist ein Anflug von Panik drin. Die verstorbene Person zum Beispiel: sie ist noch da und eigentlich viel zu nah, um einfach weg, also tot zu sein. Gleichzeitig wehrt sich jedes Atom gegen das Vergessen, gegen das Loslassen – wohl in der irrwitzigen Idee, den Verstorbenen irgendwie wieder lebendig zu machen. Der Gang zum Friedhof etwa, eine Art postmortales Treffen und ein Beweis, dass es eben doch noch weitergeht. So geht das, wellenartig, über Monate. Bis man eines Tages an einem kalten Wintertag in der Sauna liegt. Und man denkt an die schönen Jahre mit dem Verstorbenen zurück. Wohlig in der Wärme, ruhig, fast zufrieden, ein bisschen Wehmut vielleicht. Aber die Panik und der Impuls, Vergangenes wieder herzuholen – sie ist weg. Man hat losgelassen. Zurück bleibt die Erinnerung.
Loslassen
Aktualisiert: 12. Mai 2021
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