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Daniel Costantino

Le sourir de la souris

Die Sinnlosigkeit. Wie eine eigene Schwerkraft steckt sie in jeder Qual und jeder Lust, in Tat und Organ, in Myriaden von Nervenbahnen und Gedankenketten ebenso wie im Werden und Sterben der Galaxien, eines Steins und einer Mikrobe, in den Zellen und Psychostrukturen jeder Art, die fressen muss, um gefressen zu werden, und in den hintersten Winkeln des Urknalls. Sie unterwirft alles Leben und Nichtleben einer stumpfen billionen- und aberbillionenfachen Reproduktion.


Aber das Dasein des Menschen erheischt Kunst und Philosophie. Wenn sie lächerlich erscheinen, liegt das an seiner Borniertheit, der einzigen Regung im Universum, die kein Mitleid verdient.


Die menschliche Zivilisation blamiert sich, wollte ich schreiben. Welch grössenwahnsinniger Satz. Von wem würde sie zur Kenntnis genommen? Das Universum blamiert die menschliche Zivilisation, so sind die Verhältnisse.


Die Natur schützen. Das Klima retten. Den Planeten erhalten. Und natürlich Ordnung und Sauberkeit, damit er auf seiner Umlaufbahn wieder promenieren kann.


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Von der Maus und dem Elefanten, die hintereinander im Kino sitzen, vorne der Elefant mit breitem Rücken, dahinter die Maus und kann nicht auf die Leinwand sehen. Nach der Pause tauschen sie die Plätze. Die Maus, die nun vor dem Elefanten sitzt, dreht sich voller Schadenfreude zu ihm um: jetzt siehst du einmal, wie es ist, wenn man die ganze Zeit nichts sieht.


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In der Warteschlaufe stecken und der künstlichen Stimme im Telefonhörer die Meinung geigen, wenn ihre Entschuldigung für die lange WarteZEIT zum hundertsten Mal die grässlichen Takte Musik mit einem immer falschen Wortakzent unterbricht. „Bitte entschuldigen Sie die lange WarteZEIT.″ Dann dankt sie für das Verständnis, eine besondere Variante der Nötigung, ja der Umerziehung.

Kein Deutsch, kein Anstand, kein Sinn für Musik. Ein kulturloses Schmierentheater. Ein Lügenkitsch! Keiner darf mit dem andern noch reden. Rentabilität über alles. Eine Verelendung der modernen Gesellschaft. Wollt ihr die totale Marktwirtschaft? rufe ich in den Hörer.

Dann werde ich durchgestellt. Schlagartig bin ich ganz freundlich, froh, nach langem, aussichtslosem Warten überhaupt noch auf einen Menschen gestossen zu sein.


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Bei einem Werbeanruf an mich erlaube ich mir ein Spässchen und erwidere der Dame, die mir im hochdeutschen Staccato irgendetwas aufschwatzen will, auf Berndeutsch, dass ich kein Hochdeutsch verstünde. Sie reagiert entgeistert. Ich wiederhole meine Worte in Alpöhimanier. Da verabschiedet sie sich mit fast ehrfürchtigem Unterton.


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Wer Schule gibt, korrumpiert sich. Er wird immer den Gehorsam fördern und nicht die Freiheit, den Willen des Schülers wenn nicht brechen, so doch in die planmässigen Bahnen lenken. Auf welche pädagogischen Künste er sich auch herausredet: zur Emanzipation des Menschen kann er nichts beitragen.

Wer überhaupt lebt, unterwirft sich dem etablierten System der Herrschaft, nichts anderes heisst Zivilisation. Im Räderwerk versucht der Bürger sich freizustrampeln, von allen medialen Seiten unterstützt. Was bleibt ihm anderes als die Illusion der Selbstbestimmung, um seiner Schande eine gewisse Würde zu verleihen?

Und in diesen meinen Gedanken steckt wiederum das Bestreben, meinem aussichtslosen Leben immerhin ein wenig Weihrauch der Erkenntnis gespendet zu haben.


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Fussballhelden können sich wie Arschlöcher aufführen, sie werden trotzdem verehrt. Ein Beispiel im kleinen für die Kniefälligkeit des göttlichen Ebenbildes vor allem, was ihn mit Glanz überstrahlt.


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Und wo bleibt das Positive? wird Kästner gefragt. Der Teufel wisse es, erwidert er rhetorisch. Im Glücksgefühl, antworte ich, nichts weiter. Im Glücksgefühl, gerade weil es aus lauter Teufeleien besteht.


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