Zum zweiten Mal las er einen Roman von Franz Kafka. Und zum zweiten Mal suchte ihn der Schreck heim, Geld für ein Buch ausgegeben zu haben, das nicht fertig ist. Bei seinem ersten Kafka – «Der Prozess – war er irritiert, leicht verletzt, doch immerhin war ein Fragment vorhanden, welches das Ende der Geschichte zeichnet, wohingegen «Das Schloss» einfach so und mitten im Satz aufhörte. Jetzt platzte ihm der Kragen, er fühlte sich mit Haut und Haaren betrogen, über den Tisch gezogen, gefickt und gepiesackt von einem weltberühmten Schnösel – studierend vor sich hinschreibend im Elfenbeinturm –, der ihm seinen hart verdienten Mammon aus der Tasche stahl. 26.50 CHF waren ihm nicht nichts, sondern Teil seines schmal bemessenen Budgets für Kultur und Freizeit. Er kochte vor Wut, kämpfte zugleich mit den Tränen, war er doch immer ein bisschen stolz auf sich gewesen, trotz aller Widrigkeit und Tristesse nicht dem Ruf des Stammtischs zu folgen, sondern Bücher zu lesen oder Konzerten zu lauschen. Das verlieh ihm den Unterschied, den Hauch eines Zaubers, der sein Leben bereicherte. Nun aber zeigte ihm Kafka die wahre Fratze der Besserwisser und Studierten, gab ihre Verachtung gegenüber dem kleinen Manne schliesslich und endlich preis. Verzweifelt von allen guten Geistern verlassen machte er sich auf den Weg zum Stammtisch, um sich restlos zu besaufen. Morgen würde er diesem Kafka eine Mail schreiben. Um sich zu beschweren.
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