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Daniel Costantino

Ich trag meinen Neffen ins Pfandleihhaus



Ich weiss, das ist befremdend. Wer schreibt einen solchen Titel! Das Schlagwortdenken helvetischer Publizistik huldigt dem Prinzip des Billigen Jakobs: laut muss es sein, Ramsch muss es sein. Immer bestrebt, das Zeitgeschehen affektiv zu überbieten und tabubrechende Aussagen anzuhäufen, ohne einer Situation im geringsten Rechnung zu tragen. Die Grundlage ist null, siehe die nahende Bundesratswahl. Oder die Waffengänge gegen die schröcklichen Feinde der Freiheit. Man wird nicht ins Bild, sondern in die Schablone gesetzt und muss darin sein beengtes Bürgerdasein fristen. Viel hilft viel, das wissen auch die Haudraufs von den Buchverlagen, die einem ein Bücherbrett aufnötigen, für das sich der Begriff Literatur erledigt hat. Ein Gaul, der nie ein Gaul war, kann auch nicht als Gaul krepieren.


Man wird wunderlich mit den Jahren. In allen Gesten, aus aller Munde Gleichklang, Missklang, Einklang der kommoden Konformität. Man könnte das Meiste vorauszitieren. Alles hält sich in abgesteckten Grenzen, ist soufflierbar, Narrativ für Narren geworden. Was als Buch herauskommt, ein Absud davon, eine Sprache ohne Höhen und Tiefen. Wie eine Liebe ohne Tragödie, monoton und stumpf, ein Verrat am Zauber des Lebens. Die jungen Pärchen halten einander fest nicht wie Ertrinkende in der Leidenschaft, nicht wie Gerettete am strahlenden Ufer, sondern wie gespreizte Anteilseigner, die ihr Soll und Haben vertraglich besiegeln. Man zeihe mich nicht der Missgunst. Ich verehre Romeo, und ich bewundere Julia. Aber ich verachte das Schmierenstück der nachgestellten Liebeswerbung und der gedoubelten Akteure.


Ich trag meinen Neffen ins Pfandleihaus, geheiligt seien die Kimbern und Teutonen. Die Kerls sind noch ums Lagerfeuer gehockt, haben ihr wüstes Kraut geraucht und ihre Sprachregelungen untereinander festgelegt. Aus Weiss wurde in furiosen Debatten erst Schwarz, aus Schwarz wiederum Gelbkäs mit Kräuterarom. Die stursten Dogmatiker mussten jeweils dran glauben und blieben mit gespaltenem Schädel an der Brandstatt zurück. Die freie Meinung richtet sich bis heute danach, gelbkäsig und ramsch, und am zähsten geigt und vergeigt sie das helvetische Fernseh. Mitteltonstimmung: 25:30:36.

Ich trag meinen Neffen ins Pfandleihhaus. Was ist schon an ihm verloren. Zur Weihnacht lös ich ihn wieder aus. Bis dahin soll er schmoren.




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