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Daniel Costantino

Ich suche ein Wort

Da war doch dieses Wort. Dieses Wort. Klang’s nicht nach Unfall irgendwie? Hab ich’s in einem Film gehört? Je länger ich nachdenke, desto weniger fällt es mir ein und etwas anderes taucht auf. Ein Chor, der Kinderlieder singt und meiner Erinnerung vollends ein Ende macht. Eine Fussnote an der falschen Stelle. Ein Fussnotengesang. Ich will meine Lücke aber nicht mit Kinderliedern stopfen. Sollen sie singen, was geht es mich an!


Wo hab ich es nur gehört? Oder hab ich es gar selber geschrieben, selber erfunden? Ich fühle – oder spüre – und warte. Das hilft oft mehr als denken. Wenn’s denn ein Unterschied ist. Es ist ja schon verwunderlich, dass einem überhaupt etwas einfallen kann. Und dass man zwar vergessen, aber das Vergessene auch vermissen kann. Ein Sprachrohr ist man, Rohr und Behälter, dem Sprache zusickert, die er wieder herausdupliziert und -trompetet. Oder -flüstert, freilich. Auf die Lautstärke kommt’s ja nicht an. Manchmal – oder immer – legt sich ein Wort als eine Empfindung ab, als wie ein Abdruck im Gemüt. Wenn man das verstünde! Unfall fühlt sich, noch ehe man sich etwas dazu vorstellt, ganz anders an als: Sprache. Und die Fussnote unterscheidet sich von Kinderliedern schon, bevor man Zeit hat, sich den Begriff bewusstzumachen. Darum sucht man ein Wort und kann es nicht finden. Man spürt den Abdruck, aber kann ihn nicht enträtseln.


Vielleicht ist es kein wichtiges Wort. Ist es nur wichtig, dass ich mich erinnern will. Dann sähe ich erst, ob es sich lohnt, es zu behalten. Oder sagen wir: erinnert zu werden. Ich kann ja nicht bestimmen, was bleibt oder wegfällt. Ich könnte es nicht ausradieren. Höchstens verachten.


Ein Bild, ein Geruch? Mag sein, von gestern; obwohl es sich, oder der Abdruck sich, nicht so anfühlt wie von gestern. Möglicherweise steckt das Wort seit Jahrzehnten in mir. Ich gelange nicht einmal in die Nähe einer weiteren Spur, glaube ich. Was wäre, wenn es um Leben und Tod ginge, hülfe mir da Adrenalin? In einem Bergtal, wo es nur eine einzige Telefonzelle gab, ist mir einmal eine alte Handynummer wieder eingefallen, die ich zuhause liegengelassen hatte. Es wäre schlimm gewesen, hätte ich den Anruf nicht erledigen können. Da hat mein Hirn einen Weg gefunden, die Zahlen zu rekonstruieren. Zu vergessenen Wörtern weiss ich anscheinend keinen zweiten Weg.


Lauter vorwitzige Lettern purzeln aufeinander, nur ergibt sich daraus nicht das gesuchte Wort. Einiges stösst an die Schädeldecke, als schrie es zum Himmel darum, erkannt zu werden. Was ist etwas, das noch nicht Sprache ist? Was ist Nochnichtsagenkönnen und was schon Nichtmehrerinnern? Manchmal setzt eine Pause ein, in der nicht zu erfahren ist, was vor sich geht. Dann kommen wie zum Hohn wieder die echohaften Chorlieder. Ich höre zwar die Klänge nicht, könnte sie aber hören, wenn ich mich auf sie konzentrieren würde, sie sänge oder summte. Das tu ich eben nicht. Und trotzdem habe ich die Empfindung, sie zu hören.


Vielleicht fällt mir das Wort plötzlich zu, ohne dass ich daran denke. Wenn ich‘s nicht erwarte. Für heute ist’s genug. Ich bin so stumpf und stiel geworden.



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