Fachkräfte – insbesondere jene akademischen Grades – sind zu bedauern, wenn sei dem Dummkopf einer Lokalzeitung grundlegendste Dinge wie den Unterschied zwischen einem Kunsthaus und einem Kunstlager beibringen müssen, dabei müsste doch jedem Dahergelaufenen klar sein, dass es sich dabei um zwei völlig unterschiedliche Dinge handelt. Letztens erhielt ich von meiner Zeitung den Auftrag, in einem bekannten Kunstlager nahe der Stadt nachzufragen, warum derzeit keine Ausstellungen stattfinden. Ich dachte nicht weiter über Frage und Reaktion nach, die darauf folgen könnten, rechnete mit einer einfachen Erklärung, nahm also unbekümmert das Telefon zur Hand und rief im Kunstlager an. Die Kuratorin, die meinen Anruf entgegennahm, sie dachte wohl, es mit einem Einfaltspinsel zu tun zu haben und als sie zu sprechen begann, fühlte ich mich an die Zeit im Kindergarten erinnert, als mir die Betreuerin liebevoll nahelegte, die Puzzleteile seien nicht für's Kauen geeignet, deshalb nicht in den Mund zu nehmen. Die Frau am anderen Ende der Leitung, im Kunstlager also, gab sich alle Mühe, mich da abzuholen, wo sie mich stehen glaubte: Es handle sich in erster Linie um ein Kunstlager, führte sie langsam und wohlwollend aus, ein Ort, wo Kunstwerke aufbewahrt, also gelagert – daher der Name –, nicht aber ausgestellt werden, dies wäre dann eher in einem Museum der Fall, dort würden Bilder öffentlich zur Betrachtung, quasi zum Angucken, aufgehängt, ob sie mir einen Kalender der umliegenden Ausstellungshäuser zustellen solle? Gewiss sei das nicht nötig, brachte ich verdattert hervor und ich fühlte bitter, dass ich dabei war, mich abspeisen zu lassen, doch plötzlich schoss es mir durch den Kopf: Die Frau hatte mich wohl gerade angeschwindelt, denn sehr wohl fanden in eben diesem, speziellen Kunstlager Ausstellungen statt, zumindest früher. In der Zeitung war darüber zu lesen und meine Mutter, die gerne Ausstellungen zu besuchen pflegt, hatte davon berichtet. Die entscheidende Frage war doch: Wenn zuvor Ausstellungen stattfanden, warum sollte dem jetzt nicht mehr so sein? Vielleicht stand das Kunstlager vor dem bankrott, es gab Streit im Leitungsteam, ja im besten Fall bescherte mir das Telefoninterview sogar einen kleinen Skandal für die Titelseite! Der Unterschied zwischen einem Kunstlager und einem Museum sei mir gewiss klar, entgegnete ich, doch möge ich mich erinnern, von Ausstellungen in ihren Hause gelesen zu haben und da dränge sich doch die von mir gestellte Frage wie von selbst auf. Mir fiel ein Stein vom Herzen, ich hatte meine Würde zurückgewonnen und sollte meine Interviewpartnerin nun ausweichend reagieren, dann würde sie wie der Blitz vom Himmel getroffen realisieren, wen sie hier gerade versucht hatte, als Holzkopf hinzustellen. Nun aber erschallte in meinem Ohr ein herzliches Lachen und aus dem Telefon schwappte eine Welle wohligen Mitgefühls: Gewiss sei meine Erinnerung richtig, es gab Ausstellungen und vielleicht würden wieder welche durchgeführt – aber in einem Kunstlager sei dies eher Ausnahme, nicht Regel. Wenn also gerade keine Ausstellung stattfinde, sei dies kein Grund zur Sorge. Die Professionalität fiel von mir ab wie Blätter der Bäume im Herbst, es war klar, dass es mir in dieser Sache nicht mehr gelingen würde, den journalistischen Einfaltspinsel loszuwerden. Persönlicher Charme und Ehrlichkeit – das war jetzt alles, was mich noch retten konnte und ich sagte der Dame, ob es denn über ihr Kunstlager irgendetwas zu schreiben gäbe, irgendetwas! Die Zeit sei knapp und Alternativen nicht in Sicht. Jetzt säuselte die Stimme am Telefon in mein Ohr wie die Mutter zum Kind: Ich solle doch vorbeikommen und mir ansehen, was genau ein Kunstlager sei. So hätte ich etwas zu schreiben und lerne nebenbei noch etwas dazu. Geschlagen und ratlos willigte ich ein.
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