Die Antrittsrede der Grünenpolitikerin Annalena Baerbock zu ihrer Kandidatur als Bundeskanzlerin
Ein rauschender Blätterwald die Kulisse. Eine Idylle der Photosynthese. Nicht einmal unser Ogi anno tabacco hat es besser hingekriegt mit seinem Neujahrstanndli am Lötschberg. Alles puranatura. Sogar ein Sünneli leuchtet hinter Habecks Kopf, als er die Baerbock einführt. Es wird auch die Kandidatin während ihrer Rede anlächeln. Ein richtig modernes Sünneli. Oder ist es doch nur eine stilisierte Sonnenblume?
Partei öffnen, sagt sie zum Auftakt. Breite der Gesellschaft, sagt sie. Und etwas von einladender Politik. Plötzlich ist der Blätterwald hinter ihrem Rücken weg. Es tauchen spielende Kinder auf, eine ältere Frau wird am Arm gefasst und lacht oder weint, vielleicht beides zusammen. Wohl irgendwo in der dritten Welt. Oder auf der Flucht. Öffnen, einladen, breite Gesellschaft - Text und Choreographie stimmen perfekt überein. Auch wenns doch nur eine Sonnenblume ist.
Um die Menschen kümmern, fährt die Rednerin fort. Digital funktionieren. Wertebasiert und wehrhaft. Wenn die Sonnenblume ihr nicht ständig leuchtete, man wüsste nicht, welche Partei da spricht. „Ein Deutschland im Herzen Europas.“ Ein Land, in dem Klimaschutz das „zukünftige Fundament“ schaffe für „Wohlstand, Freiheit und Sicherheit.“ Man hätte es fast soufflieren können.
Es wird also weitergehen mit der Nato. Das linke Herz schlägt rechts, das ist auch schon lange so. Sie redet und redet vom Neuen, doch ihr ganzes Reden ist leeres gedroschenes Stroh.
Nur dieses kauzige Klimaschützen begreife ich nicht, immer höre ich Klima schützen, allüberall nur klimaschützen! - als wäre das Klima eine vom Aussterben bedrohte Koala-Art. Auch Baerbock spricht es an, eigentlich weiter hinten in ihrer Rede als erwartet. Dann aber: „Ein Klimaschutz, der auch die Pendlerinnen und Pendler mitdenkt.“ Na also, eine Novität. Ein mitdenkender Klimaschutz. Bestimmt eine künstliche Intelligenz.
Dann folgt eine rührselige Szene aus der Pariser Klimaschutzkonferenz. Alle seien sich in die Arme gefallen. Baerbock zitiert die „grossen, grossen Herausforderungen“ mit ebenso grossäugiger Stimme, als spräche sie zu Kindern. Endlich „wieder ein grosses internationales Abkommen!“ Sie betont noch einmal das Wort gross. Nur ihre Augen bleiben klein. Dann verkündet sie, Zukunft sei „nichts, was einfach so passiert.“ Je nun. Wetten würde ich nicht darauf.
Natürlich muss das „Angebot“ - Habeck hatte in seinem Intro damit schon um Kunden geworben - noch einmal kommen. Das fehlte noch, dass das fehlte! Ohne Angebot knickt doch kein Wähler mehr ein. Ein Sonderangebot sozusagen: ein Angebot, das man gemeinsam in die Partei getragen habe und nun ins Land tragen wolle. Man darf gespannt sein, wem es am Ende auf die Füsse fällt.
Es ist das altbekannte Geschwurbel. Keinen Satz kann man ernst nehmen. „Politik aus dem Konkreten heraus machen.“ Das Fortschrittliche solle der zukünftige Standart sein. Industrie, Mittelstand, Handwerker - alles führt sie auf. Und die Kita. Und die Kultur, die „lebendige“. Ihre Sprachkultur hingegen ist mausetot. Das Charakteristische des Politikers, sagt Karlheinz Deschner, ist nicht, dass er für eine Partei agitiert, sondern dass er für jede agitieren könnte.
Und gegen das Ende zu steht da noch Investitionen in Forschung und sozialen Zusammenhalt auf ihrem Blatt. In Polizeiwachen und Gerichtssäle. In die digitale Verwaltung und ein schnelles Internet. Auch Investitionen gehören halt zum Angebot. Und all das, sagt sie, verlange Veränderung. Und diese Veränderung, sagt sie, sei nur möglich, „wenn wir eine andere politische Kultur pflegen“.
Man soll den Menschen an seinen Taten messen, heisst es. Aber man geht selten fehl, wenn man den Politiker schon an seinen Worten misst.
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