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Daniel Costantino & Caspar Reimer

Geplänkel über Nietzsche, Gott und die Welt

Der technisch-wissenschaftliche Fortschritt hat den Menschen vom wahren, vom wirklichen Gott abgebracht. Was übrig blieb, ist ein Gott als Wert, einer der Hierarchie, zuoberst auf einem Podest. Auf den kann ich verzichten.


Sagt das Cem Özdemir?


Wer ist das?


Dieser Grünenpolitiker aus Deutschland. Hätte ich dem gar nicht zugetraut. Vielleicht wird er ja Aussenminister in der Ampelkoalition.


Nein, Nietzsche hat das gesagt. Gott ist tot, hat er gesagt.


Dieser Ausspruch steht irgendwo an einer Hausfassade in Bern. Ich denke, wenn man jemandem für tot erklärt, dann glaubt man daran, dass er existiert hat. So wie meine Mutter gelebt hat und gestorben ist.


Ich denke, Nietzsche glaubte an die Existenz des Göttlichen im Universum. Eine Art Naturgott.


Hätte er meine Mutter gekannt, hätte er nach ihrem Tode vielleicht sie zu Gott erhoben.


Zur Göttin, bitteschön.


Zu Gott! Das ist viel umfassender als Göttin, meine Mutter ist doch nicht nur ein Anhängsel.


Ich glaube, es ging Nietzsche mehr um Kritik am kulturellen Nihilismus. Er glaubte, dass der Mensch erst diesen falschen Gott in sich töten muss, um zum wahren Göttlichen, also zum Leben an sich zurückzukommen.


Er hätte auch einfach Jesus als den Nachkommen Gottes nehmen können. Ich bin das Salz der Erde! Jesus, das göttliche Salz.

Vielleicht ist Nietzsche ja doch Schuld an Hitler. Weil er den Menschen gesagt hat, sie sollen Gott töten und kein anderer in die Bresche sprang.


Ach Gott. Wer liest schon Philosophen!


Es dünkt mich, das Göttliche scheint in unserem Alltag sehr weit entfernt. Wir hetzen herum, ohne die wahre Kraft des Lebens zu spüren. Spürst du die nicht ab und zu auch, diese Kraft, die krachend durchbrechen will?


Ja, wenn ich die Corona-Trychler sehe…..


Warum denn das????


Die strahlen noch so etwas Urchiges, Bärtiges aus vergangenen Zeiten aus. Etwas wahrhaft Schweizerisches, das durchbrechen will. Früher war ja immer alles besser. Sogar ich.


Du machst dich über mich lustig. Im Kern geht es mir doch darum, zu diskutieren, was das Leben eigentlich für einen Sinn hat.


Da kannst du lange suchen. Vielleicht liegt der Sinn ja im Gottesteilchen. Weisst du, was das ist?


Nein….


Ich glaube, es heisst Higgsteilchen, so wie ein Schluckauf. Wir landen langsam in der Quantenphysik. Manchmal ist der Sinn da, manchmal wieder nicht. Leuchtet kurz auf und ist schon wieder weg. Leider.


Ich rede aber nicht von Quantenphysik. Ich spreche von der Kraft, die unser Leben ausmacht.


Meine Grosstante hat auch immer so geredet. Eine bewundernswerte Frau. Ottilie Grundbacher.


Wie hat sie denn geredet?


Sie hat immer von der Suche erzählt, auf die sie sich begeben habe. Sie war nie zufrieden, hat immer weitergesucht. Eine grosse Suchende in Gottes weiter Welt. Ihre Asche wurde über dem Neuenburger See verstreut.


Mir ist das ein bisschen zu melancholisch. Der Theologe Eugen Drewermann zum Beispiel sprach doch kürzlich am Fernsehen von einer göttlichen Kraft, die uns durchs Leben helfen soll. Kannst du damit gar nichts anfangen?


(Pause)


Der Sinn von Ottilies Leben bestand für mich in einem guten Apfelkuchen…. Das ist nicht zu verachten in diesem Jammertal.


Ich möchte dich zu einem Bewusstsein führen, das aus diesem Jammertal hinausführt, dann hättest du den Apfelkuchen gar nicht nötig.


Jetzt willst du mir auch noch diese irdische Freude wegnehmen? Typisch Christ.


Ich bin gar kein Christ….


Offenbar gespalten wie Nietzsche. Irgendwo hat er sinngemäss geschrieben, das Christentum sei eine Sklavenreligion und wer ihm anhänge, sei einfach zu wenig stark, aus eigener Kraft zu leben….. Er scheint mir ein bisschen gespalten zu sein, der Gute, wenn er dann doch wieder etwas Göttliches im Universum wittert und wähnt.


Ich glaube, er meint nicht Gott, sondern den Bezug zur Natur, zum All, zum Kosmos. Die Transzendenz, das Verzauberte.


Dann könnte man auch sagen: Das Leben ist mir heilig. Warum so umschweifig.


Aber das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung….


...unser Niveau sinkt bedenklich….


…ist voll mit solch akademischem Blabla. Stimme zu. Vieles davon scheint mir doch heisse Luft zu sein. Was die alles zu wissen glauben...


«Gott ist tot» tönt natürlich wie ein populistischer Ausspruch, so wie der Satz überall zitiert wird. Nach meiner Erinnerung hat ihn Nietzsche nicht so banal gesagt, sondern die Christen geziehen, ihren eigenen Gott getötet zu haben. Der ans Kreuz geschlagene Jesus symbolisiere, dass man Gott getötet habe.


Und was soll ich jetzt damit anfangen?


Weiss ich auch nicht. Du hast doch damit angefangen. Ich bin kein Nietzsche-Kenner. Die Menschheit wird ihr Göttliches nie los. Selbst im technisch-wissenschaftlichen Fortschritt treibt er sein Unwesen.


Dann bist du also ein Atheist?


Kann man so sagen, ja.


Echt? Das wusste ich gar nicht. Ich dachte, du seist einfach ein Nihilist.


So kann man sich irren.


Ich selber komme zunehmend vom Nihilismus wieder weg. Nietzsche und Drewermann haben mich darin bestärkt, mehr an die Kraft des Lebens zu glauben. Und du, hast du denn gar nichts? Woran glaubst denn du eigentlich?


An die Grünen. Özdemir for Bundeskanzler.



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