„Ein Mob“, sagt der Moderator der Sendung Club im Schweizer Fernsehen zum Einstieg, „hat das höchste Haus der amerikanischen Demokratie geschändet.“ Ein vielsagender, ein fast alles sagender Satz. Denn nur was in den Himmel, was zu Gott gehoben wird, kann vom Feind geschändet werden. Nun erst fängt er Feuer und nährt sich der Funke in ihm, des Andern Heiligstes durch den Dreck zu ziehen. Wird also das höchste Haus der amerikanischen Demokratie, der „ältesten der Welt“, geschändet, wird sie selbst geschändet - aber eben damit auch heiliggesprochen.
Man sollte diesen Unfug endlich bleibenlassen. Demokratien sind nichts Heiliges, nichts Verehrungswürdiges. Das Argument hat den Ton anzugeben, die vernunftgeführte Debatte, das Ringen um Kompromisse. An der amerikanischen Demokratie klebt vielzuviel Blut und Verderben, ihre Überhöhung, ihre Altarisierung ist grotesk. Am Beispiel der Erstürmung des Kapitols tönt es, als wären Kirchenschänder zu Werke gewesen. Sogar Nancy Pelosis Büro sei „geschändet“ worden.
Der Kniefall vor Amerika hat eine lange Tradition. Was sich für Welt und Fortschritt hält, hat alle vier Jahre Grund, einem kollektiven Taumel zu verfallen, als wäre der Messias (oder im Falle Trumps der Teufel) wiedergeboren. Und immerzu posaunen die Engel der freien Presse den Frieden und die Gerechtigkeit der Freeworld so herzübergreifend und völkerverbindend von den Wolken herab, dass fürchteteuchnicht selbst manch trutziger Eidgenosse, sonst jeder Herrschermacht und noch dem vereinten Europa fremd und spinnefeind, seinem Stollen entschlüpft und mit der Sonne tanzt.
Von den „Fluten des Wohlstands“ bluffte Obama in seiner Antrittsrede vor dem Kapitol und schwärmte als wie zu Narren von „ruhigen Gewässern des Friedens“. Der Watergater Nixon versprach am selben heiligen Ort: „Unsere Nation unter Gott gibt der Welt die geistige Führung“. Der Vietnamkrieger Johnson ebenda: „Ich lasse nie einen Trennstrich ziehen zwischen der Macht, die wir besitzen, und Gott, der tief in unserem Herzen ruht.“ „Amerika, das helle Leuchtfeuer der Hoffnung“ - der Napalmschmeisser Kennedy. Die USA, seit Generationen in der einzigartigen Rolle als „Anker der der globalen Sicherheit und als Verfechter der Freiheit der Menschen“ - wärs nicht wieder von Obama, wärs von einem Andern, von einem noch Andern, vom gesamten nachbetenden Westen imgrunde. Was Trump dem allem hinzugefügt hat, ist aktuell und muss nicht wiederholt werden.
Das Kapitol und seine Schändung. So baut sich und staut sich die Schwulst zum Heiligen auf, auch im Schweizer Fernsehen. Yes, wir können auch. Wir können Kitsch. Wir können Quatsch. Wir können Quote.
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