Kleine Anekdote zum Frauenstreiktag
„E, was di Wiiber scho klatsche!“, kommentierte oft mein Onkel die Tante, wenn sie ihm das Neuste aus der Nachbarschaft hinterbrachte, „hesch ghört, hesch ghört...!“ – ‚Wiibergwäsch‘ für ihn, nicht ernstzunehmen. Seiner Geringschätzung fraulicher Diskussionsbeiträge stand ein ritterliches Verhalten gegenüber, die Rückseite derselben Medaille. Wenn er mit der Tante ausfuhr, hielt er ihr die Türe seines Dodges auf und half ihr beim Einsteigen. Und beim Aussteigen wartete sie im Wagen, bis er comme il faut um die Kühlerhaube herum zu ihr geeilt war und ihr die Tür öffnete.
Das ist lange her, ich war damals ein Kind. Doch weiss ich, dass niemand in meinen Kreisen solches Verhalten anstössig gefunden hätte. Meine Grossmutter zuletzt. Sie hat sich weder an der Galanterie ihres Mannes noch an seiner Geringschätzung des weiblichen Verstandes gerieben. Dass die Weiber dümmer seien als die Männer, gehörte zur Allgemeinbildung, die von den Lehrern in der Schule vermittelt wurde; auch vom Staat und vom Fernsehen, so peinlich es ist. Alle Frauen in meiner Verwandtschaft haben das damals anstandslos mitgemacht und gewiss selber daran geglaubt.
Also, nicht alles war besser früher. Nicht alles ist gut heute. Von mir aus könnten die Frauen noch etwas konsequenter und ohne Ankündigung streiken, dass einmal so richtig der Teufel los wäre im Land. Schade fände ich einzig, den Spiess umzudrehen und nun von den Männern abschätzig zu reden. Die ollen Kamellen, nur mit umgekehrten Vorzeichen – wie langweilig und trist. Solange man als eine Gruppe identifiziert und diskriminiert ist, bildet eine fundamentale Gegenwehr das Ideal. Machtfantasien aber wären fehl am Platz. Die Einen über die Andern, nie!
In der wirklich guten Welt gibts keine Rollen mehr; höchstens noch Spiel. Wenn Schimpansen schon dieselben wie wir sind bis auf ein zwei Prozent, was soll noch der Unterschied an sich zwischen Mann und Frau? Sowieso weicht man individuell voneinander mehr ab, als man in einer Gruppe sich gleicht. In der wirklich guten Welt wäre dann immer einfach der Mensch und niemand bloss mitgemeint.
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