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Daniel Costantino

Die Erstarrten

Aktualisiert: 17. Juni 2021

Eine Zeit gab’s, da sah man Menschen wie angewurzelt in der Menge stehen, mitten in der Bewegung erstarrt. Kreuz und quer lief das geschäftige Volk und machte einen Bogen um sie. In den Läden boten die Händler ihre Ware feil, und am Boulevard floss der Verkehr. Gelegentlich drehte sich ein Kind an Mutters Hand nach ihnen um oder stupste ein Spund einen an die Schulter und zog Grimassen. Doch sie verharrten wie ein Stein und rührten sich nicht. Einer stand einmal mit dem Mantel im Arm und einer Mappe vor der Brust nach einer halben Stunde noch da und hatte sich nicht von der Stelle bewegt.


Wenn Artisten posieren ohne sich zu regen, wenn manchmal ein Darsteller einen als Schaufensterpuppe zum Narren hält, so ist es doch anders, man spürt nach einer Weile die Pose, merkt, dass jemand sich im Stillstand übt. Sogar aus Toten spricht noch ein letzter Ausdruck des Gemüts. Es wächst eine Atmosphäre um sie. Diese in der Menge Erstarrten aber hatten weder Seele noch Gesicht. Nicht einmal die Leere war in ihnen. Sie schienen ganz künstlich, wie aus dem natürlichen Kreislauf gefallen zu sein.


So standen sie, beim Bahnhof, in den Lauben, am Markt, jeder alleine. Sie warteten nicht, sie regten sich nicht. Sie fielen auch nicht um. Niemand wusste, was ihnen fehlte. Sie verschwanden, wie sie gekommen. Plötzlich stand irgendwo wieder ein anderer, nie sah man zweimal denselben. Kaum war er weg, hatte man ihn vergessen. Es blieb keine Lücke zurück.


Nur an einen erinnere ich mich. An den mit der Mappe. Jahre später sah ich ihn wieder, in einer anderen Stadt. Ich war mir sicher, dass er es sei. Er sass in einem Restaurant an einem hinteren Tisch und trank einen Kaffee. Bald darauf bezahlte er die Rechnung und verliess an mir vorbei das Lokal.


Fast hätte ich ihn angehalten. Aber mit welchem Recht? Es war ja nichts vorgefallen.






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