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Daniel Costantino

Die da oben



Wen soll man wählen?

Eine kleine Politgeografie im Treppenhaus.


Die da oben, sagt man, und fühlt sich so einvernehmlich machtlos, Schaf unter Schafen dabei, dass man zu seufzen beginnt. Zu blöken wohl gar. Fast selber ein wenig nach oben rutscht, wenn man mit den Nachbarn darüber im Treppenhaus spricht und auch sie zu blöken beginnen. So federleicht und einerlei mit den Andern fühlt man sich, die auch sagen, die da oben, und die wie man selbst zu kurz gekommen sind. Oder von denen man jedenfalls denkt, sie seufzten und blökten dasselbe, man steht ja nicht täglich im Treppenhaus herum und hat Zeit, nach oben zu rutschen. Und wenn man nicht geradezu denkt, man sei wie alle Andern, so nimmt man aber schon an, die Andern seien und hätten zu sein wie man selbst. Nur die da oben sind anders und gehören nicht dazu, nicht in solchen Momenten. Wenns ginge, man machte die Faust im Sack gegen sie, aber dann beulten die Hosen sich aus, so läuft ja kein Schaf nicht herum. Die andern Schafe würden mit Recht auf einen zeigen, so wie man selber ja auch auf die Ausgebeulten zeigt.

Die da oben sind umso mehr die da oben, je weniger man sie zu sehen und zu fassen kriegt. Meist kennt man sie kaum dem Namen nach oder nur gerüchteweise. Die da oben, das sind die ganz hohen Tiere.


Etwas weniger weit oben, nämlich in Bern, machen die in Bern oben, was sie wollen. Zwar sollten sie tun, was wir wollen; denn wir sind das Treppenhaus. Sie tuns aber nicht. Sie wählen sieben aus ihrer Mitte, die noch ein bisschen mehr tun könnten und das auch hoch und heilig versprechen. Die so hoch oben angekommen sind, dass sie die von ganz oben eigentlich kennen müssten. Und denen mal sagen müssten, wo’s langgeht. Und nicht dauernd kneifen sollten und so tun, als liesse sich nichts tun, weil sonst alles zusammenbräche. Und mit ihrem Nichtstun genau das tun, was die ganz hohen Tiere wollen, das ist es. Und täten sie’s nicht schon zum voraus, das heisst, täten sie nicht zum voraus schon nichts, sie wären nicht nach oben gekommen. Von Anfang an ist ihr Wille der Wille derer von ganz oben, der ganz hohen Tiere, so rutscht sichs am einfachsten nach Bern und dort, bei guter Seilschaft und günstigem Wind, noch etwas weiter hinauf. Zu den sechs andern Musterschafen sozusagen. Die gerade im Nichtstun eben doch tun, was sie wollen, man könnte auch sagen: was sie können. Sonst wären sie nicht in Bern oben.

Oder es weiss es der Teufel. Am besten, man kreuzt auf dem Wahlzettel irgendein Gesicht an, das einem sympathisch ist, mehr kann man nicht tun. Es wird bestimmt tun, was es kann, also nicht, was man will, und man wird den Eindruck nicht los, man wähle alle vier Jahre nur das, was sowieso geschieht.


Wenn die aber machen, da oben, was sie wollen, was wollen denn eigentlich wir? Hier diversifiziert sich das Treppenhaus und schliesst schnell die Tür hinter sich. Murmelt etwas von härteren Zeiten. Wahrt das Schweigen der Lämmer. Schaut auf die Uhr und hat leider zu tun. Die Schweiz sei zu klein, meint Herr Müller, winkt ab und tritt lachend ins Freie. Frau Schätty vor dem Briefkasten findet, die UBS sei zu gross, wirft die Wahlwerbung in den Container und will partout nichts mehr sagen. Nur Bünzlis raten zur Neutralität, beim Ausmisten unten im Keller. Aber dann piepst ihr Handy, und das Gespräch ist zu Ende. Man steht wie der Esel am Berg und steigt halt wieder treppauf. Nach ganz oben.

Wen oder was soll man nun wählen, Volk unter Volk, das man ist und als das man schliesslich regiert? Das sympathischste Gesicht hätte man schnell auserkoren. Eigentlich zwei. Schön wie die Jugend von heute. Aber schwingen auch nur Parolen, wie alle Andern. Platzhirschparolen. Nebelpetarden. Sirenenalarm. Ein Spürchen links, aber nur so weit, dass rechts grad nichts ist. Ein Spürchen rechts, grad so, dass auch tumberes Volk sie noch wählt. Platz also für alles, der Mainstream wird siegen. Ihr könnt mich einmal.

Am Ende kommt Macht doch von machen. Man packt den ganzen Krempel zusammen, steigt noch einmal die Treppe hinunter und wirft alles in den Container. Wenigstens mit Frau Schätty ist man sich in diesem Punkte jetzt einig. Warum auch immer.


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