Der wahre Poet. Ein Mosaik.
- Daniel Costantino
- 18. Dez. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Wenn er dichtet, will er nicht denken, wo käm er da hin. Es ist ja schon alles gedacht und millionenmal gesagt, da wär ihm sein Leben zu schad. An ausgebleichten Knochen herumzunagen, bloss um das marklose Gebein enttäuscht an einen neuen Haufen zu werfen, was kann es Dümmeres geben! sagt er.
Nein, einer wie er hat noch Sinn fürs Lebendige, für den Klang, für die Musik der Sprache. Ja, es ist genau wie mit der Musik, weiss er nämlich, die Poesie stammt direkt von ihr ab. Er kann fühlen, was ein Takt ist und wozu der Klang. Und er hat viel Talent, das nennt er eine Voraussetzung. Aber er findet noch etwas viel Wichtigeres, und das liegt ihm schon im Wort Kunst versteckt: Kunst kommt von künden. Es ist daher das Natürlichste auf der Welt, dass sein Dichterwort, dass überhaupt ein Dichterwort die Bindung zum Menschen sucht und an den Dialog, so sagt er. Es soll fürs Gemüt dasein und für die Lebensfreude. Ist es nicht das, was uns heute so fehlt?
Hingegen hält er nichts davon, Verlässlichkeiten zu erschüttern. Auf die Frage, was er damit genau meine, antwortet er, der Mensch muss sich noch auf etwas verlassen können im Leben. Damit will er nicht gesagt haben, ein Dichter dürfe sich nicht einmischen. Er soll es sogar! Aber er soll nicht für ein blosses Gedankenkonstrukt schreiben und nicht für die elitären Gockel. Wer aber nur im Elfenbeinturm hockt und für die Schublade hin und wieder etwas absondert, ist ihm entweder zu faul oder hat kein Talent. Wer von seiner Kunst nicht leben kann, dazu steht er, ist gar kein rechter Künstler. Kunst ist ein Allgemeingut und gehört keinem allein.
Worte sind ihm wie Blumen. Er vermag sie immer neu zu einem Arrangement zusammenzustellen und sich an ihrer Pracht zu inspirieren. Er ist freilich nicht einer, der die alten Worte verachtet. Aber auch die neuen können passen, sagt er, es kommt draufan. Der Dichter soll warten, bis es sich ergibt, ob ein neues Wort etwas hergibt oder nur flüchtiges, zeitgeistiges Unwesen treibt. Ganz genau, wie man allgemein von einem aktuellen Dichter nicht sagen kann, ob er ein bedeutender ist, das wird sich erst weisen. Wird er in vierzig, fünfzig Jahren noch gelesen – gut! Ansonsten hat er zwar vielleicht seinen Zeitgenossen, aber der Menschheit im allgemeinen nichts zu sagen gehabt.
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