Hinter der Einführung der Elektronischen Identität, kurz E-ID, über die am 7. März abgestimmt wird, verbirgt sich einerseits Geldgier und die Angst vor Bedeutungsverlust grosser Schweizer Unternehmen, andererseits ein Staat, der den Ruf von oben gehört hat und die Unternehmen aktiv hofiert. Zu diesem Schluss muss kommen, wer den ausführlichen Bericht «Ringier, der Goldschatz und die Demokratie», neulich erschienen in der schweizerischen Wochenzeitung WOZ, gelesen hat.
Wäre doch eigentlich eine gute Sache, so ein elektronischer amtlicher Ausweis, erspart er einem doch den mühseligen Gang aufs Betreibungsamt mit unfreundlicher Bedienung bei der Wohnungssuche oder den Termin beim schlecht gelaunten Hausarzt für die Ausstellung des verloren gegangenen Impfausweises. Es ist klar: Die Digitalisierung ist eine Tatsache und von mir wird es in dieser Beziehung kein Gejammer geben. Der ganz grosse Haken bei jener E-ID, wie sie Gegenstand der Abstimmung im März sein wird: Der digitale Ausweis wird zwar wie die bisherige Identitätskarte vom Staat ausgestellt, deren Verkauf, Vertrieb sowie die Verwaltung hingegen in die goldenen Händchen grosser Schweizer Konzerne ausgelagert – darunter sind Staatsbetriebe wie die Post, Grossbanken wie die UBS oder Versicherungen wie die Mobliar, irgendwie dabei ist auch Google Schweiz oder Swisscom und mit einem Fuss tief drin im Sumpf und eigentlich treibende Kraft dahinter: der Medienkonzern Ringier, der seine Online-Inhalte einzig über Werbung finanziert. «Die Medienkonzerne sehen bei der Einführung der E-ID einen Goldschatz für ihre personalisierte Werbung funkeln», wird im WOZ-Bericht ein kritischer digitaler Experte, der wohl analog ein ganz sympathischer Zeitgenosse ist, zitiert. In einer Medienmitteilung des Bundes klingt das dann so: «Die vertrauensbildende Kraft staatlicher Anerkennung und Aufsicht soll mit dem technologischen Know-how und der Dynamik privatwirtschaftlicher Initiative kombiniert werden». Es ist sonnenklar: Die Machertypen, die sich selber und alle anderen, jeden Tag und tagtäglich, entschlossen und ohne unnötiges Zögern voranbringen, die schon in der Wiege den Braten des Marktes gerochen haben, sie müssen – ja, sie müssen wirklich – etwas tun, endlich etwas tun, damit ihre Konzerne, ergo die Schweiz, digital nicht abgehängt werden. Die E-ID brauche es, «sonst haben wir gegen die globalen Tech-Companies wie Google oder Amazon nicht der Hauch einer Chance», sagt der Ringier-Chef. Für einem Abstieg bis in die Abgründe der Sozialhilfe wird es dem armen Mann von Alters wegen nicht mehr reichen, aber etwas zu verlieren – das hat er gewiss.
Am Ende geht es einzig darum, dass ein paar Nimmersatte, die so oder so schon im Geld schwimmen wie einst Dagobert Duck und die keine Ahnung davon haben, welche Demütigungen ein Working Poor oder ein Sozialhilfeschmarotzer, sorry, ich meinte
-empfänger, erleiden muss, dass solche Leute noch mehr Geld für sich einsacken. Sicherlich – diese Leute, sie sind systemrelevant, sie garantieren den Wohlstand aller, denn: Wer den Armen helfen will, muss die Reichen stärken. Das sagt mit ein Freund, der ohne eigenes Zutun reich geworden ist, immer mal wieder – zumindest nach ein paar Gläsern Wein. Selbst wenn dies wahr wäre, geht es um das Menschenbild, das hier vermittelt wird und offensichtlich in der schweizerischen Regierung einen freundlichen Supporter findet: Dem Starken wird geholfen, die Schwachen sollen selber schauen.
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