Das Virus
- Caspar Reimer
- 5. Feb.
- 1 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Feb.
Als die Tage kürzer wurden, traf ihn das Virus. Anfangs gerade ein Abwinken wert, ein wenig Fisch, einen leichten Vogel hatte er auch, und seine Stimme sei anders. Hatte er wieder durchgezecht? Keineswegs und nicht mehr oder öfters als sonst. Alsbald schien ihm selbst, er krächze wie ein Kranker, und später, die Zweifel an der Stimme zerronnen, als drücke ihm jemand die Lunge. Ob er das Rauchen ganz aufgeben solle?
Legte er sich hin, griff ein Tier seine Brust, krallte ins Fleisch, kratzte die Schnauze an seinem Hals und schnurrte den Teufel. In der Ferne hörte er Menschen anderer Zeiten lachen. Um Hilfe hätte er rufen wollen, doch das liess man nicht zu. Innen wie aussen verdunkelte, letztes Leben verstarb vom Ast und ihm wurde gewahr, dass etwas nicht stimmte.
Im Kreis der Familie röchelte er die Lieder am Weihnachtsbaum, dass Kerzen spotteten, loderten und ihm die Augen stachen. Sein Kopf stand Heiligabend quer, doch man bedanke sich für das Essen und liess ihn mit Genesungswünschen abseits allein. An Silvester wurde gezecht ohne Ende und statt des goldenen Feuerwerks tanzten die grünen Viren am Himmel. Zum Totlachen wär’s.
Im neuen Jahr presste der Schädel stumpf, humpelte von weitem zu hören der Husten durch Gassen und statt der Wirbel wuchs ihm ein Eisenstiel. Sein Bein schwoll und schwärzte den Zeh wie beim greisen Bettler am Strassenrand. Bei seinem letzten Restaurantbesuch wankten die Tische. Ein bisschen komisch sei er schon, sagte der Kollege. Der Kellner hatte ein riesiges Maul, dunkel wie tausend Nächte. Als er kam, der Bestellung wegen, nutzte er die Chance und sprang ihm in den Rachen.
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