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Daniel Costantino

Das demokratische Verhängnis

Aktualisiert: 17. Juni 2021

Nie habe ich von der Schädlichkeit des Krieges so Überzeugendes gelesen wie von rechtspopulistischen Militaristen und Patrioten, pamphletären Schnorrern und Beschwörern eines mythisch verklärten Vaterlands, das es entgegen ihren Schwärmereien nie gab und nicht geben wird. Freilich ging es nicht um die Abschaffung von Waffen und Armeen, sondern bloss darum, die eigene Streitkraft im Land zu behalten und sich nicht „in fremde Händel zu mischen“, keiner UNO und keiner NATO und schon gar keiner EU eigene Soldaten zu schicken. Das Wort Auslandseinsätze gestrichen, um die es einzig ging, wäre der Text, der eine Abstimmungsvorlage verbrämte, es wert gewesen, eine pazifistische Bibel zu zieren. Die eigenen Argumente aufgetischt zu bekommen und sie für konträre Zwecke ausgebeutet zu sehen, ist eine merkwürdige Erfahrung, die einen, anders als etwa eine unterschiedlich motivierte Stellungnahme eines Gleichgesinnten, stutzig macht. Gerade noch eine Nuance trennt dich vom Gegner!


Der Opportunität zuliebe schnell eingewöhnt, auf einen strategischen Pragmatismus zu setzen und sich in unheilige Allianzen zu verstricken, erstarren dem Politiker bald die Grundpfeiler eigenen Denkens zu erratischen Brocken, die er wie isolierte Findlinge klotzig in seine trivialen Reden stellt, indes ihm die Konturen einer besser bestellten Welt zu nebulösen Schwaden und Suaden substanzloser Floskeln verschwimmen, mit denen er seine Wählerschaft bei Laune hält. Festigkeit vorzutäuschen und unerschütterliche Überzeugungen, Leidenschaft und Dienst am Gemeinwesen, ein Musterschülertum in der Pflege herkömmlichen Allgemeinguts, das gehört zu den unabdingbaren Eigenschaften seines Standes, ohne die keine Volksmenge zu betören ist. Erfordern es die Umstände, ist er ebenso fähig, die Werte blosszustellen, für die er angeblich kämpft, wie zu befürworten, was er eigentlich verabscheut.


Aber was rede ich vom Politiker allein. Die Leute wählen einen von ihrem Schlage und mithin sich selbst. Er hat nichts weiter zu tun als Volk zu sein und Volk zu spielen und die Dinge, wie sie nun einmal sind, im Lot zu halten. Die Partei, welcher er angehört, unterscheidet sich von einer andern nicht mehr als zwei Konfessionen der selben Religion, als überhaupt eine Religion von der anderen, die sie alle die Liebe predigen und die Achtung vor dem Menschen und ihn doch verachten und in seinem Joch belassen wie den Ochsen. Und da hat er zu arbeiten und nützlich zu sein und als gutes Rindvieh und Stimmvieh mal sein Muh, mal sein Buh zu brüllen im Gewimmel des Markts, im Gebimmel der Freiheit, und sich unterm Gewedel von Kutten und Krawatten für seine Rechte und seine Pflichten, für den Krieg und für den Frieden, für den Kauf und den Lauf der Welt vor den Karren spannen zu lassen.


Und die Besinnunslosigkeit wird zur Gesinnung und die Gefolgschaft zur Karriere und aus ein paar Ochsen werden immer wieder genug Ochsentreiber, die schöne Bescherung und den Fortschritt der Menschheit im Schwung zu halten.


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