Bucher
- Daniel Costantino
- 5. Juni 2024
- 3 Min. Lesezeit
Kennen Sie Bucher? Kennen Sie Bucher nicht auch? Nein, den andern, wissen Sie, den andern. Sie meinen ja Huber, welcher seinerzeit mit Bucher diese völlig neuen Dings, äh, Gara… ja, genau, eben mit dem. Mit Bucher! Ich weiss garnicht, ob der nicht gestorben ist. Haben Sie nichts gehört? Ich glaube, ich habe es gelesen. Bin mir aber nicht mehr sicher. Vielleicht habe ich sonstwas über ihn gelesen, das wäre auch möglich. Ich krieg’s nicht mehr zusammen.
Zwar, wenn er gestorben wäre, hätte ich eigentlich kondolieren sollen. Hab ich aber nicht. Vielleicht lebt er also noch. Ich schreib sonst immer eine Karte, wissen Sie, wenn einer stirbt. Dochdoch. Ausser es sei zum Beispiel ein Schulfreund, von dem ich seit Jahrzehnten nichts erfahren habe. Da schreib ich dann auch nichts. Da frage ich mich höchstens dann und wann, ob so einer überhaupt noch lebt. So ist es aber nicht beim Bucher. Ich weiss bloss nicht mehr, ob er gestorben ist.
Bis vor anderthalb Jahren war er ja noch in unserem Vorstand. Wenn ich nicht doch gelesen habe, er sei tot, dann muss er eine Auszeichnung bekommen haben oder sowas. Die Stadt ehrt regelmässig einen von uns, ganz gleich, wie gut er gewesen ist. Aber immer erst, wenn er zurückgetreten ist. Wie auch den andern, stimmt, der seinerzeit mit ihm diese neuen, äh, Gara… den Huber, ja, ganz richtig, Ihren Huber. Dem haben sie sogar noch post mortem einen Preis zugesprochen. Ach, wussten Sie garnicht? Dochdoch, völlig unerwartet, leider. Allerdings nicht die Stadt. Wenn einer nämlich tot ist, ist er für die gestorben. Irgend ein Kulturverein war's, eine Stiftung, die ihm einen Preis verliehen hat. Als er gerade noch lebte. Nur entgegennehmen hat er ihn nicht mehr können, er starb in der Nacht davor. Völlig unerwartet.
Aber der andre nun eben, ich meine Bucher, wissen Sie, von dem ich nun eben nicht mehr weiss, ob er noch lebt oder nicht. Von dem habe ich nach seiner Pensionierung nichts mehr gehört. Könnte also sein, dass sie auch ihn geehrt haben. Also dass die Stadt ihn geehrt hat, meine ich, nicht wieder dieser Kulturverein. Denn dann würde er noch leben. Wäre ja sonst ein komischer Zufall. Immerhin hat er einiges bewegt, weniger bei uns, als früher in seinem angestammten Beruf.
Zwar der Gesündeste war er nun nicht. Hatte mal einen Herzinfarkt, mitten im Leben. Etwas Angeborenes. Herzklappe, glaube ich. Einfach so. Soll sich aber unglaublich schnell davon erholt haben. Oder ein Schatten oder sowas. Wie auch immer. Ich persönlich hab ja nie sehr viel von ihm gehalten. Obwohl er mir eigentlich sympathisch war, das schon. Ich schätzte seine distinguierte Art. Aber geistig und handwerklich hatten wir keine Berührungspunkte. Ein typischer Quereinsteiger eben, der nicht viel Ahnung von der Sache hatte. Ich hätte ihn ja nie gewählt. Aber ich habe ihn dann regelmässig im Amt bestätigt. Ich finde nicht, dass man jemanden abwählen soll, der sich anständig benimmt. Es braucht schliesslich jeder sein Brot.
Diese Auswahlverfahren heutzutage sind ja immer schrecklich, finden Sie nicht auch? Zehn Bewerber um eine einzige Stelle! Oder gar zwanzig oder noch mehr. Ich will doch nicht den lieben Gott spielen und über das Wohl und Wehe einer ganzen Familie bestimmen. Da hängen ja immer noch Kinder dran undsoweiter. Ich sage mir, wenn nun einer mal da ist und sich anständig benimmt, dann soll er auch bleiben können. Meine Meinung.
Am besten wohl, ich rufe ihn an. Wie's ihm halt so gehe und so. Vielleicht ist er ja putzmunter und garnicht tot. Was meinen Sie? Dann wüssten wir beide Bescheid. Und sollte er schon tot sein, kondoliere ich eben seiner Witwe. Dass die gestorben sein sollte, halte ich für ausgeschlossen. Das hätt ich bestimmt gelesen.
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