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Daniel Costantino

Bims und Bums im Bundeshaus

Aktualisiert: 23. Dez. 2021

Also man wird ja noch sagen dürfen. Noch sagen dürfen. Sagen dürfen wird man ja noch. Wo kämen wir hin! Man wird doch noch sagen dürfen sagen dürfen. Man wird doch noch sagen dürfen, was man denkt! Oder? Auch wenn Ueli Maurer jammert, man dürfe es kaum noch, kaum noch sagen, was man denkt. Obwohl er’s dann auch wieder nicht sagt, was er denkt. Er sagt, man dürfe kaum noch sagen, was man denkt, und dann sagt er’s doch nicht. Sagt’s einfach nicht. Unkt wie ein Frosch im trüben Sumpf: dunken sugen durfen. Und dann nichts mehr dazu. Blubb. Als ob er nur sagen, aber nicht denken könnte. Dann hätte er eigentlich nichts gesagt, finde ich.

So ist es halt gekommen mit ihm, vom Ueli dem Knecht zum Ueli dem Hecht, der sagen dürfen, aber nichts gesagt haben will: blubb.


Das war kürzlich in der Wandelwalhalle des Bundeshauses, wo Roger Köppel für die „Weltwoche daily“ Parlamentarier und Bundesräte wie eben Ueli Maurer interviewt. „Unabhängig, kritisch, gut gelaunt“. Und gut gelaunt stimmt immer aufs Wort. So gut gelaunt, dass Köppel im Übermut auch eigene Ansprachen hält, zum Beispiel an Deutschland, dem er die Demokratie erklärt, und dabei so ins Kraut schiesst, dass er Maurers Befürchtung, man dürfe kaum noch sagen, was man denkt, Lügen straft. Köppel sagt, mit grossem Brimborium, sogar immer viel mehr, als er denken kann. Das ist immerhin auch etwas. Jetzt braucht es aber noch einen, der erst denkt, bevor er etwas sagt.

Dann hätten wir nicht nur die Gedankenfreiheit, sondern sogar noch die Gedanken dazu.


Maurer, der bei allem Geradeherausreden, hehres Wahrzeichen seiner Partei!, dann doch nichts gesagt haben will, und Köppel, der mit aller Theatralik für eine Révolution nationale agitiert, als wäre er ihr designierter Propagandasinister. Bei der Ansprache an Deutschland steht er in der „Kathedrale der parlamentarischen Demokratie“ und beschwört seinen Deutschen nicht nur die autoritäre Fassong der Demokratie nach seinem Vorbild, sondern schwört ihnen ausserdem aufs Weihnachtsfest und das Christentum. Und auf was für ein Christentum! Eines, welches das Individuum entdeckt habe, die Freiheit entdeckt habe und das Gewissen. Ohne ihns, weiss Köppel, gäbe es weder Demokratie noch Rechtsstaaten noch Menschenrechte, kein Deutschland und kein Grundgesetz und keinen Bundestag. Ohne das Christentum „gäbe es uns gar nicht.“ Es kommen noch andere Dinge bims und bums zusammen, die es nach Köppel ohne das Christentum nicht gäbe, die Liste ist lang. Imgrunde ist der Mensch erst vor 2000 Jahren erschaffen worden, so könnte man Köppels hauseigenen Kreationismus zusammenfassen.

Gegen die Moralisten ziehts ihn auch immer wieder zu Felde. Man könne sich, meint er im selben Redeschwall, nicht einfach auf eine Anhöhe stellen und von da auf die Menschen herabpredigen. Obwohl er genau dies gerade tut. Und sein Christentum mit seinen Predigten und Bergpredigten erst recht. Und ist doch gerade seine Weltwoche, mitsamt der täglichen, eine Levitenlese sondergleichen, voller Zeigefingereien auf die moralischen Verfehlungen ihrer Gegner. Ohne moralische Anhöhe gibt es keinen Köppel. Und die meisten Teufel, die er schon an die Wand gemalt hat, gibt es ohne Köppel auch nicht.


Das journalistische Rezept lässt sich etwa so beschreiben, es ist ganz einfach: Man nehme ein an und für sich beliebiges Thema, euphorisiere oder skandalisiere es masslos und tröte es mit so viel Schwulst in die Welt hinaus, dass es seinen Ernst verliert und grotesk wirkt. Und dann kann man sich noch ein bisschen beklagen, dass man nichts mehr sagen dürfe. Und fertig ist die Weltwoche.

Weekly and daily.



Quellen:

Weltwoche daily Deutschland vom 17.12.21

Weltwoche daily, Bundesrats-Talk vom 16.12.21




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