Jetzt hätten wir für einmal dazugehört, wir kleinen Schweizerlein. Wir feinen sauberen Direktdemokrätelein. Oh, nicht etwa zur EU, davor bewahre uns der Morgarten! Nein, viel besser: zum ganzen Westen gleich, zum satten, vollmundigen Westen, zur Wärtegemeinschaft Zaster und Markt. Und haben mit der schönen freien Welt und ihrer wundersam pressfreien Kriegsberichterstattung einmal stolz sein können auf unser bestes aller Systeme, unsere schönen Bürger- und Menschen- und Frauenrechte, auf die Errungenschaften der Aufklärung, die unsere Kultur prägt wie der Totenschädel die Giftflasche. Und dann zotteln diese Amerikaner einfach ab! Stehlen sich davon „wie ein Dieb in der Nacht“ (Erich Gujer)! Eine Weltmacht herrjeh, die für unsere Freiheit „tausende Opfer gebracht“ (Roger Köppel) und schockweise Milliarden von Dollars, vor einem „mit Sandalen und Mopeds gerüsteten Feind“ (Gujer). Wir haben die Bilder vom Flugplatz in Kabul vor Augen: „Ein zweites Vietnam“ (gemischter Chor der freien Presse)!
Schade um die schönen Waffen imgrund, an denen der Westen, und wir im Geiste immer mit ihm, Jahrzehnte gebaut und Jahrzehnte geforscht, Jahrhunderte alles in allem. Die liegen jetzt einfach herum. Die immerhin ganze Volksstämme von Sandalenträgern schon bedroht, verschreckt und vernichtet, „in die Steinzeit zurückgebombt“ haben, siehe Laos, Vietnam und Kambodscha. Auf einen Schlag oder peu à peu: Krieg ist ein Menschenrecht! Immer nur überwachen, foltern und mit Drohnen verkohlen, das kanns ja für eine Weltmacht auf Dauer nicht sein. Wir wollen auch in hundert Jahren noch frei sein im Westen und stolz, dass man uns Wählern sagen muss, was die Freiheit kostet zu Wasser, zu Land und zur Luft, die Observation des Feindes hienieden und aus dem All. Wieviel in Zeiten des Kriegs jede zerschossene Rakete, jeder eingesetzte Bomber, haargenau pro Stück und Tag und Jahr. Unsere Freiheit soll auch in hundert Jahren darin begründet sein, dass wir arbeiten dürfen und zahlen können, unsere Würde soll es sein, unser Menschenrecht. Ja, das Menschenrecht auf Krieg und das Menschenrecht, dafür zu zahlen.
Nicht unkritische Zaungäste sind wir, beileibe nicht. Unser hochentwickeltes Bildungswesen! Unsere Medien dürfen sich der Frage mutig stellen, ob man vielleicht mit Afghanistan nicht einen Fehler gemacht, irgendetwas falsch eingeschätzt hat oder so. Ob man nicht vielleicht etwas früher oder später, auf jeden Fall geordnet hätte abhauen sollen. Dieser ganze Auflauf der fliehenden Menschen am Flughafen von Kabul, wie stehen wir eigentlich da vor der Welt! In der Tat: „Der Westen erlebt ein moralisches Fiasko!“ (Frank A. Meyer.) Und zu unsrer Schande laufen diese Sandalen, statt für ihr Vaterland zu kämpfen, in hellen Scharen zum Feind über. Zwanzig Jahre hat man sie unsere westlichen Werte gelehrt, und jetzt das. Diese Fanatiker! Diese afghanischen Verräter!
Wenn der Taliban bloss nicht an die Atombombe herankommt, das wäre das Allerschlimmste. Dann wären wir und der ganze friedliche Westen bedroht. Sie hat in falscher Hand nichts zu suchen und erst recht nicht in einem fanatischen Kopf mit solch rückständigen Vorstellungen. Sie gehört in einen freien Kopf. Und in die rechte Zeit. Und die wird kommen, wie alles zu seiner Zeit.
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